Die kleine Zeit vor der Antwort

Kurzbeschreibung

Beitrag zur lange Jahre dauernden Diskussion um ein Mahnmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Kategorie:Kurzfilm
Gattung:Kurzfilm
Regie:Michael Muschner; Jochen Gerz
Drehbuch:Jochen Gerz
Länge:14 Minuten
Produktion: Tigerfilm Michael Muschner, Tigerfilm

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Zweiundsechzig Mitglieder der Akademie der Künste, Berlin, brüten, jeder für sich, über einer Antwort. Sie muss der Gewichtigkeit des Gegenstandes ebenso angemessen sein wie den Erwartungen der Öffentlichkeit an die Kompetenz und das Niveau des Befragten und sie muss auch der Komplexität der Frage selbst gerecht werden.

Das Grundkonzept des Films hat den Bewertungsausschuss einhellig überzeugt: Nicht die Antworten selbst zu zeigen, sondern den Moment davor, zu beobachten, wie das Sammeln und Denken selbst sich in den Gesichtern der Befragten widerspiegelt. Dieser Moment des Sammelns, des Sich-bewusst-Werdens, dass man hier eine ebenso individuelle wie universelle Antwort zu einer der zentralen kulturellen Diskussionen der vergangenen Jahre geben muss. Was jetzt gesagt wird, wird von Experten und Öffentlichkeit immer und immer wieder kritisch wiederholt und hinterfragt werden. Und schon so manches Akademiemitglied hat da wohl schon seine Erfahrungen gemacht mit missverstandenen oder zweideutigen öffentlichen Äußerungen zu historischen, soziologischen, politischen oder kulturellen Themen.

Leider krankt der Film aber an einem grundlegenden Dilemma, dem er sich nicht entziehen kann, egal, wie sich der Regisseur entscheidet, das Problem zu lösen. Wird die gestellte Frage vor den Einzelporträts gezeigt, beschäftigt sich der Zuschauer unwillkürlich entweder damit, diese Frage in ihrer Komplexität zu verstehen und/oder sie für sich selbst zu beantworten und kann sich so nicht auf die Filmporträts konzentrieren. Wird die Frage, wie letztlich auch geschehen, erst im Nachhinein bekannt gegeben, beschäftigt man sich mit der Frage nach der Frage und kann auch so nicht die ungeteilte Aufmerksamkeit für die Filmporträts aufbringen.
Jenseits dieser Problematik sind aber zweiundsechzig höchst sensible Porträts entstanden, die gerade aus der Statik des Bildes und der Einheitlichkeit des Ausgangsmomentes tiefe Einblicke in die Gedankenwelt der Porträtierten zu geben scheinen - denn letztlich erfährt man doch nicht, was wer wirklich geantwortet hat.
Als ermüdend erwies sich die hohe Anzahl an Porträts und der starre zeitliche Rhythmus bei der Montage der Filmaufnahmen, doch auch dieses Dilemma ist teilweise konzeptionell begründet, wenn man alle Akademiemitglieder eingebunden werden sollten. Uneinigkeit herrschte im Ausschuss auch darüber, ob die Frage letztlich nicht gegen eine andere, ebenso grundlegend aktuell gesellschaftsrelevante hätte ausgetauscht werden können, weshalb dann insgesamt das höchste Prädikat letztlich nicht erteilt wurde.