Die Goldfische
FBW-Pressetext
Als ein Roadmovie der etwas anderen Art erzählt DIE GOLDFISCHE von Regisseur Alireza Golafshan von einem erfolgreichen Portfolio-Manager, der mit Hilfe einer Behinderten-WG sein Schwarzgeld von der Schweiz nach Deutschland schmuggeln will.Oliver ist Portfolio-Manager und lebt ein Leben auf der Überholspur. Im wahrsten Sinne des Wortes. Bis er sich bei einem gefährlichen Überholmanöver überschlägt. Die Diagnose: Querschnittslähmung. Doch statt sich seiner neuen Lebenssituation in einer Reha-Klinik zu stellen, ergibt sich für den erfolgsverwöhnten Karrieremenschen ein ganz anderes Problem: Er muss irgendwie in die Schweiz kommen, um von dort seine illegalen Rücklagen über die Grenze zu schmuggeln, bevor die Behörden davon Wind bekommen. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Doch dann begegnet Oliver den Bewohnern einer Behinderten-WG, die von ihrer Betreuerin liebevoll „Die Goldfische“ genannt werden. Getarnt als Gruppenausflug will Oliver die Truppe in die Schweiz eskortieren und so seine Haut retten. Doch er hat die Rechnung ohne die liebenswerten Querdenker der Goldfische-WG gemacht. Das Langfilmdebüt von Alireza Golafshan begeistert von der ersten Minute mit Witz, Tempo und seinem herrlich unkorrekten Umgang mit allem, was „normal“ ist. Denn obwohl zu Beginn der Geschichte noch Oliver, den Tom Schilling gewohnt souverän als charismatisch schmierigen Karrieretypen verkörpert, im Zentrum der Geschichte steht, verlagert sich die Erzählperspektive immer mehr auf die eigentlichen Hauptfiguren der Geschichte: die Autisten Michi, gespielt von Jan-Hendrik Stahlberg, und „Rainman“, dessen autistische Behinderung Axel Stein präzise und einfühlsam darstellt; die blinde Magda, der Birgit Minichmayr mit großer Schnoddrigkeit dennoch viel Liebenswürdigkeit verleiht; und Franzi, die von Luisa Wöllisch als selbstbewusste junge Frau mit Down Syndrom dargestellt wird, die nicht nur ihren eigenen Kopf hat, sondern diesen auch durchsetzt. Ganz ohne Berührungsängste macht der Film die Menschen, denen in der Realität oftmals jegliche Lobby fehlt, zu Helden der Geschichte, ohne sie jemals lächerlich zu machen. Jella Haase als liebenswerte Betreuerin und Kida Khodr Ramadan als ausgebuffter Pfleger komplettieren das großartige Ensemble. Als Komödie und Road Movie besitzt DIE GOLDFISCHE alles, was das Genre verlangt: Temporeiche Verfolgungsjagden, jede Menge spritzige Dialoge und absurde Szenen, unterlegt von einem launemachenden Soundtrack. Und doch spürt man als Zuschauer in jeder Szene, was diesen Film darüber hinaus zu etwas ganz Besonderem macht: Dass er seine Figuren liebt und ernstnimmt - in all dem, was sie besonders macht. DIE GOLDFISCHE ist ein Film, der sein Thema ohne Samthandschuhe, aber mit jeder Menge Herz und Verstand anpackt! Einfach besonders wertvoll!
Filminfos
Gattung: | Komödie; Spielfilm |
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Regie: | Alireza Golafshan |
Darsteller: | Tom Schilling; Jella Haase; Birgit Minichmayr; Axel Stein; Kida Khodr Ramadan; Jan Henrik Stahlberg; Luisa Wöllisch; Klaas Heufer-Umlauf |
Drehbuch: | Alireza Golafshan |
Kamera: | Matthias Fleischer |
Schnitt: | Denis Bachter |
Musik: | Carlos Cipa; Sophia Jani |
Webseite: | DieGoldfische.de; |
Länge: | 112 Minuten |
Kinostart: | 21.03.2019 |
Verleih: | Sony Pictures Deutschland |
Produktion: | Wiedemann & Berg Filmproduktion GmbH & Co. KG, in Koproduktion mit SevenPictures Film und Deutsche Columbia Pictures Filmproduktion. Produzenten: Justyna Müsch, Quirin Berg, Max Wiedemann, Koproduzent: Dr. Stefan Gärtner |
FSK: | 12 |
Förderer: | FFF Bayern; DFFF; FFA; MBB; |
Jury-Begründung
Gleich mit seinem ersten abendfüllenden Spielfilm ist Alireza Golafshan ein Volltreffer auf dem Gebiet der vielgescholtenen deutschen Filmkomödie gelungen. DIE GOLDFISCHE vermag in nahezu allen Belangen zu überzeugen – und ganz besonders in der für integrative/inklusive Komödien heikelsten Frage nach der Tonalität. In DIE GOLDFISCHE wird niemand, ob Menschen mit Behinderung oder ohne, ob Homosexuelle, Kapitalisten oder Migranten, mit Samthandschuhen angefasst. Keine der treffend und vielschichtig gezeichneten Figuren wird in einen Schutzraum gestellt, mit niemandem wird besonders vorsichtig verfahren, sondern alle Figuren erfahren den gleichen Umgang und werden auf gleiche Weise innerhalb der komödiantischen Welt ernstgenommen. Die Figuren haben Witz, ohne Witzfiguren zu sein. Dieses Ergebnis erfreut natürlich besonders, da – inklusiv eben – Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen vor der Kamera agieren. Es ist dem Debütregisseur Alireza Golafshan hoch anzurechnen, dass etwa das Wagnis, einen vorrangig als Komödienschauspieler bekannten Akteur wie Axel Stein einen Autisten spielen zu lassen und ihn neben Luisa Wöllisch, einer Schauspielerin mit Down-Syndrom, zu inszenieren, vollends aufgegangen ist. Während sich Axel Stein enorm gut einfügt, ist Luisa Wöllischs Franzi die wohl klarste Figur des Films, die immer ganz genau weiß, was sie will.Doch das herausragende Drehbuch hat noch mehr zu bieten als die im beschriebenen Sinne spannenden Figuren: eine ganze Reihe äußerst komischer Szenen, sehr pointiert geschriebene Dialoge und einen gewissen subversiven Touch der Grundhandlung, in der recht unverhohlen deftige Kritik am Sozialstaat geübt wird. Auch die gelungene Mischung zwischen Komik und einigen durchaus ernsten Momenten zeugt für ein hervorragendes Gespür in Buch und Inszenierung. Zu den schönsten Augenblicken etwa zählt, wie die zentrale und sehr turbulente Szene auf dem Jahrmarkt plötzlich mit absoluter Stille erzählt wird – ein äußerst wirkungsvoller Bruch, der belegt, mit welcher Sicherheit hier die Klaviatur filmischer Atmosphäre und Tonalität gespielt wird.
Außer Luisa Wöllisch und Axel Stein müssen auch die restlichen Mitglieder des Ensembles positiv hervorgehoben werden, eine sehr prominente Schauspielerriege, die bis ins Detail Ton und Geist von Buch und Inszenierung verinnerlicht und umgesetzt hat. Ein wohltemperiertes hohes Erzähltempo, ein effektvoller Musikeinsatz und zahlreiche gute visuelle Einfälle machen das feine Unterhaltungspaket komplett.