Der Tod und das Mädchen

Kinostart: 04.05.95
1994
Filmplakat: Der Tod und das Mädchen

Kurzbeschreibung

Eine aus unterschiedlichen gründen frustrierte Ehefrau glaubt, in einem nächtlichen Besucher ihren Peiniger während der Militärdiktatur wiederzuerkennen und versucht, ihn mit folterähnlichen Methoden zum Geständnis zu bringen.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Kategorie:Spielfilm
Gattung:Drama
Regie:Roman Polanski
Darsteller:Ben Kingsley; Sigourney Weaver; Stuart Wilson; Krystia Mova; Jonathan Vega; Rudolphe Vega
Drehbuch:Rafael Yglesias; Ariel Dorfman
Buchvorlage:Ariel Dorfman
Kamera:Torino Delli Colli
Schnitt:Hervé de Luze
Musik:Wojciech Kilar
Länge:103 Minuten
Kinostart:04.05.1995
Verleih:Concorde
Produktion: Bundesbeauftragte für Kultur*, Capitol Films, Ltd., in Zusammenarbeit mit Channel Four Films/Flach Films, London
FSK:12

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

In einem südamerikanischen Land - aber diese Geschichte könnte auch auf anderen Kontinenten spielen -, das eine furchtbare Diktatur überwunden hat und dabei ist, sich eine demokratische Ordnung zu geben, begegnet eine Frau, die eines der Opfer des terroristishen Regimes war, durch Zufall ihrem schlimmsten Peiniger wieder. Ihr Mann hat als Jurist den Auftrag, an der Aufklärung früherer Verbrechen mitzuwirken. Entsetzt muss er erleben, dass seine Frau, jeder Rechtsauffassung hohn sprechend, einen ganz privaten Prozess gegen den Beschuldigten zu führen versucht, um ihn zu einem Geständnis zu bewegen. Als dieses endlich vorliegt, verzichtet sie auf Rache. Und ihr Mann, sie allmählich verstehend, stimmt ihr zu.

Hinter dieser Beschreibung verbirgt sich eine Tragödie, in die drei Personen gleichermaßen verwickelt sind. Das Ringen um Wahrheit, um Auferklärung von Vergangenheit, um Offenlegung zutiefst amoralischer Vorgänge füllt sich unter Einsatz überraschender Situationen und hochrangiger Dialoge mit einer Spannung auf, die den klaustrophobischen Schauplatz zu sprengen drohnt. Nur an einem einzigen Ort spielt sich das Drama ab, in dem einsam am Meer gelegenen Haus des Ehepaares; die Herkunft von einem Bühnenstück wird bewusst nicht verschleiert, ein filmischer "Ausbruch" hätte der Story keinen härteren Effekt hinzufügen können.

Unter der Regie von Roman Polanski, der lange nicht mehr so suggestiv inszeniert hat, entstand ein Thriller, der nicht zum l'art pour l'art geriet und seine politische Botschaft nicht versteckt. Es ist ein Aufruf für die Beachtung der Menschenrechte, zugleich ein Beweis, dass großes Kino gesellschaftskritische Möglichkeiten durchaus auszuspielen vermag, wenn die thematischen Voraussetzungen stimmen, die Kraft des Regisseurs sich durchsetzt, wenn der Einfallsreichtum des Kameramanns dem begrenzten Schauplatz immer neue optische Details abtrotzt, vor allem die Darsteller wissen, wofür sie gebraucht werden. Es sind großartige, Oscar-verdächtige Darsteller in einem Kammerspiel par excellence.

Der Film hat kein Happy-End. Dem scheinbar versöhnlichen, "humanen" Schluss, folgt als Rahmenhandlung ein Finale, das der Realität eher entspricht. Es zeigt die Kontrahenten, alle, als sei nichts geschehen, in einem Konzert, bei dem Schubert's Quartett "Der Tod und das Mädchen" gespielt wird, jenes Musikstück mit dem der Verbrecher sein Opfer bei jedem Vergehen zu trösten behauptet. Jetzt hört er, mitsamt seiner Familie, scheinbar unberührt zu. Was sein Opfer dabei denkt, kann man ihm ansehen. Ein makabres, "bürgerliches" Ende, ein Schluss, der Frösteln macht.