Der Tag X

Filmplakat: Der Tag X

FBW-Pressetext

Ost-Berlin, 17. Juni 1953. Es ist Fridas achter Geburtstag und sie wartet sehnsüchtig auf ihre Gäste – vor allem auf ihren Vater. Doch auf den Straßen Berlins tobt ein Aufstand, an dem der Vater teilnimmt und im Radio hört man von Schüssen auf dem Potsdamer Platz. Und je mehr Fridas Mutter die Kontrolle verliert, desto mehr übernimmt Frida ihre Rolle und bewahrt Ruhe. Bis endlich am nächsten Morgen alles zu Ende ist. Regisseurin Katharina Rivilis greift in ihrem Kurzspielfilm DER TAG X auf ein reales Geschehnis zurück. Eine Welle von Protesten und Demonstrationen führte im Juni 1953 in der DDR zu einem Aufstand, der von der Sowjetarmee gewaltsam niedergeschlagen wurde. Geschickt invertiert der Film die Rollen der beiden Protagonistinnen. Die Mutter wird daraufhin zunehmend passiv, wirkt mental absent, während Frida Verantwortungsbewusstsein entwickelt und zur aktiv agierenden Figur wird. Getragen wird der Film von den hervorragenden Darstellerinnen und einer ungeheuer dichten und kunstvollen Atmosphäre. Subjektiv, emotional und intuitiv werden hier Geschichte und Erinnerung transportiert und verknüpft.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Kurzfilm
Regie:Katharina Rivilis
Darsteller:Katharina Rivilis; Ninel Skrzypczyk; Jan Pohl; Nikolay Sidorenko
Drehbuch:Katharina Rivilis; Samuel Chalela Puccini
Kamera:Giulia Schelhas
Schnitt:Guillaume Guerry
Musik:Henning Fuchs
Webseite:dffb.de;
Länge:20 Minuten
Verleih:DFFB
Produktion: Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin GmbH (DFFB), RBB;
FSK:12
Förderer:dffb

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der Kurzfilm DER TAG X von Katharina Rivilis, die auch die zweite Hauptrolle spielt, vermittelt ein historisches Ereignis aus der Sicht eines Kindes. Obwohl der einleitende Song eher auf die 1960er Jahre verweist, befinden wir uns hier im Berlin des Jahres 1953. Im Radio hören wir von Schüssen am Potsdamer Platz.
Es geht um den Aufstand vom 17. Juni 1953, bei dem es in der DDR zu einer Welle von Streiks, Demonstrationen und Protesten kam, die mit weitgreifenden politischen und wirtschaftlichen Forderungen verbunden waren. Dieser Streik wurde von der Sowjetarmee gewaltsam niedergeschlagen. Die Mutter der kleinen Frieda ist offensichtlich Teil dieses Protests – und ausgerechnet an diesem Tag hat Frieda Geburtstag.
Die alleinerziehende Mutter versucht, die Ruhe zu bewahren, als Panzer durch die Straßen fahren. Der Vater wird vermisst, und so wird es eine traurige Geburtstagsfeier – ohne Gäste und mit zugezogenen Vorhängen. Die Mutter muss Propagandamaterial verschwinden lassen. Aus dem letzten Papier faltet Frieda einen Papierflieger und wirft ihn auf die Straße. Ein Flüchtiger taucht auf und warnt die Mutter, der Vater sei getötet worden. Doch die Mutter will bleiben wegen Frieda. Nachts wird die Tür beschmiert. Als Frieda ihren Flieger von der Straße holen will, wird sie von einem jungen, russischen Soldaten überrascht, der sie jedoch laufen lässt.
Der Höhepunkt des Films wird durch Friedas Geburtstagsgeschenk eingeleitet: Sie betrachtet das illuminierte Dia eines nebligen Waldes. In der intensiven und beklemmenden Alptraumsequenz flüchtet Frieda durch einen nebligen Winterwald. Medialität, Vision und Geschichte werden hier auf eindrucksvolle Weise verbunden.
Das Lied zu Beginn mutet anachronistisch an, doch nicht nur da hat man den Eindruck eines Zeitsprungs, einer Durchdringung der Zeiten. Die Mutter wirkt mental abwesend, flüchtet in den Schlaf, das Kind wird selbst zur Handelnden. Der Film mutet daher wie die verfremdete Erinnerung eines erwachsen gewordenen Kindes an, das die Vergangenheit reflektiert.
Die Jury lobte die dichte Atmosphäre, kunstvolle Ausleuchtung und liebevolle Ausstattung, die nicht eindeutig zeitgemäß erscheint, diskutierte allerdings intensiv über die Anachronismen als künstlerische Strategie. Insgesamt wurde die Atmosphäre als überzeugend wahrgenommen. Auch die Dramaturgie funktioniere, vor allem die Szenen um den Alptraum herum wurden als spannend und überzeugend erachtet.
Die Jury würdigt den Versuch der Regisseurin, die Innenwelt nach außen zu kehren, Erinnerung und Geschichte emotional und intuitiv zu vermitteln.