Der Mandarinenbaum
FBW-Pressetext
Seyid sitzt im Gefängnis. Weil er an die Freiheit glaubt. Doch genau die wollen sie ihm nehmen. Als seine Frau und seine kleine Tochter ihn endlich besuchen dürfen, kann die kleine Sirin ihm noch nicht einmal ihr selbstgemaltes Bild schenken, weil darauf ein Vogel zu sehen ist. Und der Vogel steht für Anarchie, sagt der Wärter, der das Bild vor ihren Augen zerstört. Seyids Tochter ist am Boden zerstört. Doch der Vater erinnert sie daran, dass die Gedanken immer frei sein werden. Sirin versteht und malt für den nächsten Besuch ein neues Bild, das eine ganz besondere Botschaft trägt. DER MANDARINENBAUM von Cengiz Akaygün erzählt seine Geschichte als filmische Parabel. Gleich zu Beginn wird das gemeinsame Glück der Familie etabliert, welches eng mit dem Mandarinenbaum, in dem ein frecher Vogel lebt, verknüpft ist. Der Rest des Films zeigt die Kälte des Systems, in dem die Menschen gefangen sind, graue Töne, kaltes Licht. Der Film nutzt seine Stilmittel, um seine Geschichte auch zu einem gesellschaftskritischen Kommentar zum immer strikter werdenden und fast schon willkürlich agierenden Rechtssystem der Türkei werden zu lassen. Die Geschichte selbst, die am Ende mit einem wunderbar poetischen Twist überrascht, ist ruhig erzählt, die Schauspieler agieren überzeugend und authentisch, vor allem das kleine Mädchen, in dessen Augen sich Hoffnung, Liebe, aber auch Furcht und Trotz spiegeln, berührt in seiner Natürlichkeit. Die Mischung aus purer Fantasie und hartem Realismus macht aus DER MANDARINENBAUM großes Kurzfilmkino.Filminfos
Gattung: | Drama; Kurzfilm; Fiction |
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Regie: | Cengiz Akaygün |
Darsteller: | Billey Demirtas; Beren Tuna; Ecem Türkmen; Yasar Cetin; Ferhat Keskin |
Drehbuch: | Cengiz Akaygün; Duc-Thi Bui (Co-Autor) |
Kamera: | Nils A. Witt |
Schnitt: | Annette Duwe |
Länge: | 17 Minuten |
Produktion: | lutzfilmproduktion Philipp Lutz Philipp Lutz |
Förderer: | Film- und Medienstiftung NRW |
Jury-Begründung
Ach, gäbe es doch mehr Kurzfilme von dem Format, wie dies Cengiz Akaygün mit seinem sehr schönen Werk DER MANDARINENBAUM unter Beweis stellt: Mit einfachen Mitteln und ruhiger, sicherer Hand inszeniert, aber zugleich sehr klar und bewusst im Einsatz seiner filmischen Mittel gelingt ihm eine politische Parabel, die auf dem schmalen Grat zwischen harschem Realismus und bunter Fantasie entlang wandelt und eine Ode an die Freiheit anstimmt.Als der inhaftierte Seyid im Gefängnis von seiner Frau und seiner kleinen Tochter besucht wird, hat das Mädchen ihm ein Bild gemalt, auf dem der Garten der Familie mit dem darin befindlichen Mandarinenbaum zu sehen ist. Doch weil darauf ebenfalls ein Vogel zu sehen ist und der gestrenge Gefängniswärter diesen als Symbol für Anarchie identifiziert, landet das liebevolle Präsent des Kindes im Abfall. Doch der Vater versteht es, das Mädchen zu trösten - und beim nächsten Mal hat sie ein Bild dabei, dessen Botschaft ein Fanal für die Freiheit ist.
Es ist unübersehbar, dass sich Cengiz Akaygün in seinem Film DER MANDARINENBAUM deutlich gegen die immer autoritärer werdende Türkei unter Recep Tayyip Erdogan positioniert. In seiner Grundanlage erinnert der Film fast schon an den radikalen Humanismus von Stefan Zweigs Schachnovelle. Ein Film über die Macht der Freiheit der Gedanken in Zeiten der Willkür.
Geschickt versteht es der Regisseur, mittels einfacher Farbschemata klare Kontraste herzustellen, die guten Schauspieler (nur der Gefängniswärter agiert manchmal haarscharf an der Grenze zur Karikatur, während die Darstellerin der Tochter sehr eindrucksvoll spielt), die sensible Kameraarbeit und die präzise Dramaturgie machen diesen Film zu einem eindrucksvollen Kurzfilmdrama, das andeutet, was von diesem Filmemacher noch zu erwarten sein könnte.