Der Junge muss an die frische Luft
FBW-Pressetext
Caroline Links Verfilmung des gleichnamigen autobiografischen Erfolgsromans von Hape Kerkeling über eine Kindheit im Ruhrpott, das Aufwachsen in einer fröhlichen Großfamilie und den frühen Verlust der geliebten Mutter.Hans-Peter wächst im Ruhrpott der 1970er Jahre auf. Die Familie ist groß, laut, lustig und immer in Feierlaune. Die einen Großeltern leben auf dem Land, die anderen in der Stadt. Der Vater ist oft unterwegs auf Montage, aber die Mutter, die Hans-Peter abgöttisch liebt, ist ja da. Und es ist das Allerschönste für den 9-Jährigen, wenn er die Mutter mit seinen Witzen und Parodien von Verwandten und Bekannten zum Lachen bringen kann. Doch im Laufe der Jahre lacht seine Mutter immer weniger. Sie wirkt abwesend und schaut stundenlang aus dem Fenster. Fast so, als ob sie sich Stück für Stück aus dem Leben verabschiedet. Und kein Scherz dieser Welt kann sie wieder zurückholen. Im Jahr 2014 erschien mit DER JUNGE MUSS AN DIE FRISCHE LUFT das Buch von Hape Kerkeling, in dem der Entertainer und Komiker von seiner Kindheit und dem Verlust seiner Mutter erzählt. Caroline Link hat nun die tragikomischen Geschichten ganz im Stil der Vorlage verfilmt. Denn in allen Gewerken – ob die detailgetreue und authentische Ausstattung, die sonnigen Bilder von Judith Kaufmann oder die hemdsärmelig rotzigen Ruhrpott-Dialoge innerhalb der Kerkeling-Familie, die Ruth Toma umgesetzt hat – zeigt sich die große Wärme und Herzlichkeit, die schon das Buch auszeichnet. Doch der Film steht und fällt natürlich mit der Besetzung von Hape Kerkeling als Kind. Und Julius Weckauf ist ein absoluter Glücksgriff. Jeder Blick, jedes Hochziehen der Augenbrauen, jeder noch so kleine Auftritt – all das ist eine perfekte Verkörperung des Künstlers. Gerade auch im Zusammenspiel mit Luise Heyer, die Hapes Mutter mit einem genauen Gespür für die fröhlichen und auch die tieftraurigen Momente verkörpert, entsteht zwischen den beiden eine ganz großartige Chemie als Grundlage für eine tief berührende Geschichte, die bis zum hoffnungsvollen Schluss das Leben und die Familie feiert.
Filminfos
Gattung: | Komödie; Spielfilm; Familienfilm |
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Regie: | Caroline Link |
Darsteller: | Julius Weckauf; Katharina Hintzen; Sönke Möhring; Elena Uhlig; Diana Amft; Joachim Król; Maren Kroymann; Ursula Werner |
Drehbuch: | Ruth Toma |
Buchvorlage: | Hape Kerkeling |
Kamera: | Judith Kaufmann |
Schnitt: | Simon Gstöttmayr |
Jugend Filmjury: | Lesen Sie auch, was die Jugend Filmjury zu diesem Film sagt... |
Länge: | 100 Minuten |
Kinostart: | 25.12.2018 |
Verleih: | Warner |
Produktion: | UFA Fiction GmbH, Feine Filme; Warner Bros. Film Productions Germany; |
FSK: | 6 |
Förderer: | FFA; MBB; FFF Bayern |
Jury-Begründung
Mit der Verpflichtung von Julius Weckauf gelang Caroline Link der Besetzungscoup des Jahres. Unter mehr als 5000 Bewerbern setzte sich der Junge aus einem Dorf in NRW beim Casting durch, nachdem er von Kunden im Laden seiner Eltern auf die Suche nach einem jungen Hape Kerkeling aufmerksam gemacht worden war. Er stammt nicht nur aus einem ähnlichen Milieu und hat große Ähnlichkeit mit dem Entertainer. Er hat auch das verschmitzte Lächeln und jenen Schalk im Blick, der dazu führt, dass auch dem kleinen Hape keiner böse sein kann.Caroline Link führt den Jungen zu einer großartigen schauspielerischen Leistung, nicht nur damit knüpft sie an ihr grandioses Debüt mit JENSEITS DER STILLE an, wo sie ebenfalls ein Händchen für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen bewies. Weckauf fügt sich nahtlos in ein grandioses Ensemble ein.
Der Film nach den gleichnamigen Erinnerungen Kerkelings folgt dessen Entwicklung über drei Jahre Anfang der 1970er. Er macht die Erfahrungen, die ihn entscheidend prägten. Der pummelige, 9-jährige Hans-Peter ist Teil einer großen, feierwütigen Familie aus dem Ruhrpott, in der jeder seine kleinen Macken hat. Nach den ersten behüteten Jahren im Haus von Oma und Opa auf dem Dorf zieht er mit seinen Eltern in eine Stadtwohnung, im gleichen Haus wohnt das andere Großelternpaar. Etliche Tanten und Onkel sind ebenso stets gern gesehene Gäste. Sein Talent, andere zum Lachen zu bringen, trainiert er im Krämerladen seiner Oma Änne, wo er Kundinnen perfekt nachmacht.
Den ersten Knick bekommt die heile Welt nach dem Tod der Großmutter. Später erkrankt seine Mutter schwer und verfällt in Depressionen, an denen selbst Hans-Peters komödiantische Fähigkeiten abprallen. Nach ihrem Freitod ziehen die Großeltern vom Land in die Stadt und kümmern sich um den Jungen, der so gerne die Stars des deutschen Fernsehens imitiert. Und alle ahnen schon damals und akzeptieren unausgesprochen, dass Kerkeling homosexuell ist.
Die Fröhlichkeit Kerkelings ist aus tiefem Schmerz geboren, dies bringt der unterhaltende Film dem Zuschauer sehr nah. Link blickt mir großer Liebenswürdigkeit und Ehrlichkeit auf diese kleinbürgerliche Welt, sie hält traumwandlerisch sicher die Balance aus Tragikomik und Ernsthaftigkeit. Sie beweist das richtige Gespür für den Ton in jeder Situation, wobei sie einen im deutschen Kino einmaligen Mut zur Sentimentalität beweist, die sie stets richtig dosiert. Ihr Film ist nostalgisch im besten Sinne des Wortes, aber nie kitschig oder verklärend. Zur gelungenen Zeichnung von Milieu und Ära tragen die detailreiche Ausstattung und die Charakterisierung der Figuren bei, die alle ihre Schrullen und Macken haben. Aber vor allem das Herz am rechten Fleck.
Über das Porträt des jungen Kerkeling wird die alte Bundesrepublik mit ihren Kiezen und Tante-Emma-Läden lebendig. Hier hat der Entertainer seine Wurzeln, das Fernsehen der 70er mit Hitparade, Disco und Samstagabendshows wird eine Quelle seines unverwechselbaren Humors. Zugleich macht der Film klar, warum Kerkeling auf dem Höhepunkt des Ruhms dem Bildschirm adé sagte. Er ist nun mal ein Kind der 70er, das sich selbst oft in Szene setzte, aber nie seine Person ins Zentrum seiner Auftritte stellte. Und genau das reflektiert der Film auf wunderbare Weise.