Der Fangschuss

Kinostart: 22.10.76
1975
Filmplakat: Der Fangschuss

Jurybegründung

Der Film erhielt mit 3:1 Stimmen das Prädikat "Wertvoll".



Auch nach einer längeren und sehr in Details gehenden Diskussion kamen die weit auseinanderliegenden Auffassungen, die von dem beinahe gestellten Antrag auf das höchste Prädikat bis zur beinahe gänzlichen Ablehnung reichten, nicht zusammen. Ort, Zeit und Thema: ein Niemandsland zwischen zwei einander ablösenden Epochen, zwischen einer sich auflösenden Kaste und neuen Kräften aus dem Volk, zwischen den Geschlechtern, einer Frau und einem Manne, deren Behausung, einst Deutschordenschloss, der verfallende Schrein lebender Leichname ist. Mehr und mehr im Mittelpunkt die Frau und die Ausweglosigkeit ihres Versuchs, aus einer erstarrten Männerwelt, aus einer Kaste, aus ihrer eigenen Geschichte auszubrechen.



Am Ende des Films ist man unsicher geworden, ob er, zunächst deutlich in einem Ideen-Dreieck ausgelegt, nicht doch zuviel und zu einseitig alles Gewicht auf die (sehr persönliche und sehr eigenartige) Liebesgeschichte konzentriert habe; trotz dem Versuch, den zeitgeschichtlichen Hintergrund klarzulegen (Baltikum 1919). Die Gräfin Sophie vollzieht ihren Übertritt auf die Seite der Aufständischen offenbar nicht aus politischer Überzeugung oder Einsicht, sondern getrieben von ihrem persönlichen Schicksal, ihrer Liebe zu einem Mann, der diese Liebe zurückweist. Als es scheint, er könne sich aus seiner sexuellen Befangenheit und menschlicher Starrheit lösen, erkennt Sophie, dass eine Verbindung mit ihm sie nur zurückzwingen würde in eine bereits zerbrochene Welt, an der sie längst keinen Anteil mehr hatte. So geht sie zu den Revolutionären, zu denen, sie ebensowenig gehört, in der Gewissheit, dass das ihren Tod bedeutet. Als Gefangene bittet sie um den Fangschuss von der Hand des Mannes, den sie einmal lieben wollte. Diese Sophie wird von Margarethe von Trotta großartig gespielt, was den Eindruck des Übergewichts der privaten Story verstärken mag.



Gleichwohl wird der (auf einem Roman basierende) Film kaum einmal romanhaft und, erstaunlicherweise, nicht sentimental, gerade am Ende nicht, wo die Liquidierung der Aufständischen und mit ihnen der Grädin als kühler automatischer Vollzug von etwas Seöbstverständlichem geschieht. Die übrige Besetzung ist von unterschiedlicher Qualität; Margarethe von Trotta am nächsten kommt noch ihr Partner Matthias Habich.



Von gleichbleibend eindringlicher Kraft sind die Bilder, die Atmosphäre der kargen Landschaft und des verfallenden Schlosses. Die Ästhetik dieser Schwarz-Weiss-Fotografie ist, auch wenn sie manchmal allzu direkt an den oft zitierten UFA-Stil erinnern mag, neben den Szenen mit Margarethe von Trotta der nachhaltigste Eindruck dieses Films, von der Schönheit und Schwermut eines großen Untergangs: sie ist allerdings auch so etwas wie ein kunstvoller Schleier, der eine unmittelbare Einsicht in die Bedeutung der Geschichte verhindert und Fraglichkeiten nicht verdeckt. Da sind restliche Fetzen eines Kriegs, keineswegs nur in Andeutungen, sondern in sehr realistisch gemeinten Szenen, doch gerade in diesen Szene nicht frei von Klischees und beinahe nur Kulisse für die Auftritte der Gräfin und des paares. Die übrigen Darsteller, vor allem der Bruder der Gräfin, deuten nur noch etwas an, Nachhall aus ader Welt des Rilkeschen Kornetts oder Jüngers, aber leer geworden, nur noch verkrustete Hüllen, die trotz aller Direktheit der Dialogführung wie hinter Glaswänden agieren und den Zuschauer nicht mehr angehen, ausgenommen vielleicht der Führer der Aufständischen.



Fink, Hentschel, Herchenröder, Scheel
Prädikat wertvoll

Filminfos

Kategorie:Spielfilm
Gattung:Drama
Regie:Volker Schlöndorff
Darsteller:Margarethe von Trotta; Matthias Habich; Rüdiger Kirschstein; Marc Eyraud
Drehbuch:Jutta Brückner; Margarethe von Trotta; Geneviève Dormann
Länge:96 Minuten
Kinostart:22.10.1976
Verleih:Filmverlag der Autoren
Produktion:

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Der Film erhielt mit 3:1 Stimmen das Prädikat "Wertvoll".

Auch nach einer längeren und sehr in Details gehenden Diskussion kamen die weit auseinanderliegenden Auffassungen, die von dem beinahe gestellten Antrag auf das höchste Prädikat bis zur beinahe gänzlichen Ablehnung reichten, nicht zusammen. Ort, Zeit und Thema: ein Niemandsland zwischen zwei einander ablösenden Epochen, zwischen einer sich auflösenden Kaste und neuen Kräften aus dem Volk, zwischen den Geschlechtern, einer Frau und einem Manne, deren Behausung, einst Deutschordenschloss, der verfallende Schrein lebender Leichname ist. Mehr und mehr im Mittelpunkt die Frau und die Ausweglosigkeit ihres Versuchs, aus einer erstarrten Männerwelt, aus einer Kaste, aus ihrer eigenen Geschichte auszubrechen.

Am Ende des Films ist man unsicher geworden, ob er, zunächst deutlich in einem Ideen-Dreieck ausgelegt, nicht doch zuviel und zu einseitig alles Gewicht auf die (sehr persönliche und sehr eigenartige) Liebesgeschichte konzentriert habe; trotz dem Versuch, den zeitgeschichtlichen Hintergrund klarzulegen (Baltikum 1919). Die Gräfin Sophie vollzieht ihren Übertritt auf die Seite der Aufständischen offenbar nicht aus politischer Überzeugung oder Einsicht, sondern getrieben von ihrem persönlichen Schicksal, ihrer Liebe zu einem Mann, der diese Liebe zurückweist. Als es scheint, er könne sich aus seiner sexuellen Befangenheit und menschlicher Starrheit lösen, erkennt Sophie, dass eine Verbindung mit ihm sie nur zurückzwingen würde in eine bereits zerbrochene Welt, an der sie längst keinen Anteil mehr hatte. So geht sie zu den Revolutionären, zu denen, sie ebensowenig gehört, in der Gewissheit, dass das ihren Tod bedeutet. Als Gefangene bittet sie um den Fangschuss von der Hand des Mannes, den sie einmal lieben wollte. Diese Sophie wird von Margarethe von Trotta großartig gespielt, was den Eindruck des Übergewichts der privaten Story verstärken mag.

Gleichwohl wird der (auf einem Roman basierende) Film kaum einmal romanhaft und, erstaunlicherweise, nicht sentimental, gerade am Ende nicht, wo die Liquidierung der Aufständischen und mit ihnen der Grädin als kühler automatischer Vollzug von etwas Seöbstverständlichem geschieht. Die übrige Besetzung ist von unterschiedlicher Qualität; Margarethe von Trotta am nächsten kommt noch ihr Partner Matthias Habich.

Von gleichbleibend eindringlicher Kraft sind die Bilder, die Atmosphäre der kargen Landschaft und des verfallenden Schlosses. Die Ästhetik dieser Schwarz-Weiss-Fotografie ist, auch wenn sie manchmal allzu direkt an den oft zitierten UFA-Stil erinnern mag, neben den Szenen mit Margarethe von Trotta der nachhaltigste Eindruck dieses Films, von der Schönheit und Schwermut eines großen Untergangs: sie ist allerdings auch so etwas wie ein kunstvoller Schleier, der eine unmittelbare Einsicht in die Bedeutung der Geschichte verhindert und Fraglichkeiten nicht verdeckt. Da sind restliche Fetzen eines Kriegs, keineswegs nur in Andeutungen, sondern in sehr realistisch gemeinten Szenen, doch gerade in diesen Szene nicht frei von Klischees und beinahe nur Kulisse für die Auftritte der Gräfin und des paares. Die übrigen Darsteller, vor allem der Bruder der Gräfin, deuten nur noch etwas an, Nachhall aus ader Welt des Rilkeschen Kornetts oder Jüngers, aber leer geworden, nur noch verkrustete Hüllen, die trotz aller Direktheit der Dialogführung wie hinter Glaswänden agieren und den Zuschauer nicht mehr angehen, ausgenommen vielleicht der Führer der Aufständischen.

Fink, Hentschel, Herchenröder, Scheel