Das wild-temperierte Klavier

Filmplakat: Das wild-temperierte Klavier

FBW-Pressetext

Der Künstler und sein Klavier. Subjekt und Objekt in perfekter Symbiose. Heute jedoch nicht. Denn immer wenn der Künstler spielen will, schieben sich finstere Gedanken, düstere Bilder und kriegerische Eindrücke in den kulturellen Hochgenuss. Was tun? Soll er gegen das Böse anspielen? Oder die Gedanken in seine Kunst aufnehmen? Der neue Kurzanimationsfilm der Künstlerin Anna Samo ist ein Film, der die aktuelle globale Lage aus einer Künstlerinnenperspektive selbstreflexiv verhandelt und äußerst stimmungsvolle Bilder findet, um all die Ambivalenzen, die beim künstlerischen Schaffen gerade jetzt entstehen können, auszudrücken. Das Toilettenpapier als ‚Leinwand‘ symbolisiert die Vergänglichkeit und Alltäglichkeit der Kunst an sich, dazu entwirft sie eine Art Schnittplatz, mit dem sie aus der Vorführung des Künstlers die Gedanken an Krieg und Zerstörung einfach ‚hineinschneidet‘. Sehr passend wählt Samo als musikalisches Motiv ‚Das wohl-temperierte Klavier‘ von Johann Sebastian Bach und verpasst dieser sanften Melodie einen im wahrsten Sinne des Wortes und Bildes ‚wilden‘ Touch. Mit ungewöhnlichen kreativen Ideen und dem selbstreflexiven Umgang mit ihrer eigenen Kunst beweist Anna Samo, warum sie eine wahre Meisterin ihres Fachs ist.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Kurzfilm
Regie:Anna Samo
Drehbuch:Anna Samo
Kamera:(Animation) Anna Samo
Musik:Johann Sebastian Bach
Webseite:samo-animation.com;
Länge:7 Minuten
Verleih:Sind Films - Amsterdam
Produktion: Tiger Unterwegs Filmproduktion Thomas Bergmann
FSK:0

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Die Corona-Pandemie wirkte künstlerisch lähmend und motivierend zugleich. Anna Samo berichtet, sie habe in dieser Zeit sehr oft "Das wohltemperierte Klavier" von Johann Sebastian Bach gehört und daraus die Idee für einen Film entwickelt. Eingeflossen ist zudem der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Anna Samo verbindet diese Elemente - die Pandemie, die Musik und den Krieg - zu einem faszinierenden Stop Motion Kurzfilm. Wir erinnern uns daran, welche Wertigkeit Toilettenpapier in der Pandemie auf einmal bekam. Anna Samo nutzt dies, indem sie einen analogen Schnittplatz nachahmt, in dem mehrere Rollen Toilettenpapier wie Filmrollen bearbeitet werden. Einem Daumenkino nicht ganz unähnlich laufen die Bilder auf dieser Apparatur ab. Sie handeln von einer Person und einem Klavier und von der barocken Musik, die sie verbindet. Dieses Verhältnis wird durch zunehmend dazwischen funkende Bilder von Panzern und Soldaten gestört.

In sieben Minuten entwickelt Anna Samo einen sowohl erzählerisch als auch ästhetisch hochqualitativen Animationsfilm. Der Krieg mischt sich in die Bilder ein und die Frage, was in dem Film bleibt und was geschnitten wird, verweist darauf, was wir auch in unserem eigenen Alltag ein- und ausblenden, um die Wirklichkeit ertragen zu können. Die Materialität von Wasserfarbe auf Toilettenpapier erzeugt einen ganz eigenen verspielten Look, in den das Einbrechen des Krieges umso gewalttätiger wirkt. Ton und Bild, Musik und Handlung sind perfekt aufeinander abgestimmt, bedingen sich, ganz im Sinne des Filmtitels, gegenseitig.

Anna Samo ist ein fantasievoller Film über Musik und das analoge Filmemachen gelungen, dem die Jury sehr gerne das Prädikat BESONDERS WERTVOLL verlieh.