Das Spinnennetz

Kinostart: 21.09.89
1986
Filmplakat: Das Spinnennetz

FBW-Pressetext

Bernhard Wickis Alterswerk nach Joseph Roth führt in die Zeit zwischen den Weltkriegen und ist ein wichtiges Dokument über Mitläufertum und Karrierismus.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm
Regie:Bernhard Wicki
Darsteller:Klaus Maria Brandauer; Andrea Jonasson; Ulrich Mühe; Corinna Kirchhoff; Elisabeth Endriss
Drehbuch:Bernhard Wicki; Wolfgang Kirchner
Buchvorlage:Joseph Roth
Kamera:Gerard Vandenberg
Schnitt:Tanja Schmidbauer
Musik:Günther Fischer
Länge:196 Minuten
Kinostart:21.09.1989
Verleih:Concorde
Produktion: Provobis - Gesellschaft für Film und Fernsehen mbh, ZDF; ORF; RAI 2;

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Die Diskussion ergab eine so unterschiedliche Auffassung der Ausschussmitglieder, dass trotz sorgfältigem Abwägen von der Für und Wider keine Annäherung der Standpunkte möglich war.

Bernhard Wicki, so wurde ausgeführt, sei zur Zeit vielleicht der einzige deutsche Regisseur, dem es gelinge, „große Bilder“ zu vermittlen, mächtige Visionen optisch umzusetzen und packende Szenen zu entwickeln. Seine Darstellung der politischen und sozialen Situation nach dem Ersten Weltkrieg hinterlasse beim Zuschauer mit Recht Gefühle der Beklemmung. Wessen ein Mensch in bestimmten Zwangssituationen fähig sei, wie jemand unter dem Druck einer verkommenen Umwelt zum Verbrecher werden könne, dies vermöge Wicki eindrucksvoll aufzuzeigen.

Andererseits ergab sich, dass einige Ausschussmitglieder mit der Aufbereitung historischer Zusammenhänge Schwierigkeiten bekundeten. Diese wurden als zum Teil ungenau bezeichnet. Man könne nicht 15 Jahre Nachkriegszeit mit Inflation, Faschismus und Antisemitismus quasi in einem Filmjahr zusammenziehen. Dem historische Unkundigen werde zu viel Vorauswissen zugemutet. Erschwert werde der Zugang zum Thema durch gewisse Längen und Ausuferungen, die vor allem beim Polenaufstand und beim Progrom im berliner Scheunenviertel auffielen. So geriete manches zu Karikatur – aller Sorgfalt in Kostüm und Ausstattung, im Schauplatz und Milieu zum Trotz. Die vorwiegend negative Schilderung der meisten Gegebenheiten – in welchem sozialen Genre auch immer – verwirrt den Zuschauer, der sich an keine Leitfigur halten könne. Bei aller Hochachtung vor den darstellerischen Leistungen werde der Gang der Handlung nicht durch Charaktere der Personen bestimmt, denen zuweilen Entwicklung fehle, sondern durch Aneinanderreihung von Situationen. Täter und Opfer würden in den gleichen Farbtönen gezeichnet, so dass Identifikation nicht möglich sei.

Von befürwortender Seite wurde argumentiert, dass der freie, unabhängige Umgang mit einem Roman, der seinerseits ebenfalls nicht der dokumentarischen Genauigkeit verpflichtet sei, den von Wicki gewählten epischen Stil, den Stil des großen erzählerischen Kinos, rechtfertige. Die Wahrheit der Schilderung sei höher zu bewerten als die Wirklichkeit der Details. Auf diese Wiese habe Wicki die gewissenlose Karriere des Leutnants Lohse glaubwürdig vortragen können (und dem Schauspieler Ulrich Mühe zu einem glanzvollen Debüt verholfen). Die Lehre für die heutige Zeit, in der Rechtsradikalismus wieder erstarke, sei nicht zu übersehen.

Angesichts der Divergenz der Meinungen des Bewertungsausschusses ließ sich für das höchste Prädikat keine ausreichende Mehrheit finden.