Das Leben und nichts anderes

1990
Filmplakat: Das Leben und nichts anderes

Kurzbeschreibung

Frankreich 1920. Auf einem ehemaligen Kriegsschauplatz ist ein Offizier damit befasst, Tote zu identifizieren und Vermisstenschicksale zu klären, wobei er zwei Frauen begegnet, die nach ein- und dem selben Mann suchen.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Regie:Bertrand Tavernier
Darsteller:Sabine Azéma; Maurice Barrier; Philippe Noiret; Francois Perrot; Pascal Vignal
Drehbuch:Bertrand Tavernier; Jean Cosmos
Kamera:Bruno de Keyzer
Schnitt:Armand Psenny
Musik:Oswald d'Andrea
Länge:136 Minuten
Verleih:NEF 2
Produktion: Hachette Première et Cie., Paris
FSK:12

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

In seiner Liebe zum Detail, zur fast pittoresken Szenerie verliert dieser Film gelegentlich das Augenmaß für die Ökonomie der Zeit und bringt dennoch in der Ausführlichkeit, mit der er Einzelheiten und Einzelszenen ausspielt, schließlich immer wieder die Kernpunkte seines Themas zum Ausdruck: die Entwicklung von neuen Beziehungen angesichts des Todes gerade der liebsten Menschen, deren Verlust man noch kaum wahrhaben will. Der Umbruch in der Verbundenheit mit nicht mehr Lebende Menschen, die zu dieser Verbindung nichts mehr beitragen können, vollzieht sich nicht nur in den beiden Paarbeziehungen, deren langsames, schmerz- wie lustvolles Wachsen in vielen Einzelheiten miterlebt werden kann, sondern auch in den vielen fast belanglos erscheinenden Randfiguren, die auf dem großen Schlachtfeld des Krieges nach den vermissten und vermutlich toten Söhnen, Brüdern, Vätern, Verwandten, Verlobten und Männern suchen. Und gleichzeitig vergegenwärtigt der Film auch die Ausmaße dieses Geschehens, das nicht nur einzelne, sondern Hunderttausende betrifft, nicht nur den einen „unbekannten Soldaten“ umfasst, sondern ihn in unübersehbarer Zahl präsentiert, so dass die Entscheidung, welcher von allen Toten ihn repräsentieren könnte, schon wieder eine eigene Bürokratie erfordert und andererseits der Mangel an Toten einen Ort fast entwürdigen kann angesichts des großen nationalen Opfers, das allenthalben zu beklagen ist.

Ein bissiger Film, der Menschen und Situationen nicht schönen will und deshalb sie nicht nur als verletzbar, sondern auch als verletzend zeigt; ein gekonnt inszenierter Film, der selbst in seinen Wiederholungen und Überdehnungen doch immer wieder neue Nuancen seiner Thematik veranschaulicht; ein Film, der ganz wesentlich durch den Hauptdarsteller Phillipe Noiret, getragen wird und doch daneben vielen großen und kleinen Rollen und ihren Darstellern Profil verleiht; ein Film, der in seiner Ausstattung ein Furioso von Einfällen und ihren Einzelheiten bis zur selbstzweckhaften Überspritzung hochstilisiert. Aber in alldem eben ein überragender Film, mit dem die Auseinandersetzung sich lohnt.