Das Glitzern im Barbieblut

Filmplakat: Das Glitzern im Barbieblut

FBW-Pressetext

Kleine Schnipsel der Welt, scheinbar beliebig, ausgeschnitten – im Kern ein Feuerwerk für die Sinne. Ulu Braun lässt es mit seinem experimentellen Kurzfilm buchstäblich Glitzern. In Partikeln von Erzählungen setzt sich in jedem Moment eine ganz eigene Geschichte zusammen und erzeugt so ein gleichzeitig fantastisches wie auch alltägliches Spiel der Sinne. Damit wird DAS GLITZERN IM BARBIEBLUT zu einer wahrhaft assoziativen Wahrnehmung, die mit ihrem herausragenden Schnitt das nahezu Unmögliche schafft: Intendierten Zufall. Da wird die Welt im Kinderblick gezeigt, da tritt das Tasten und Hören vor das Schauerlebnis und was bleibt ist eine bunte Parallelwelt der Eindrücke aus eigentlich dokumentarischen Bildern. Durch deren rhythmisches Ineinanderfließen entsteht eine neue Deutung und Farbigkeit in den Dingen der Alltäglichkeit. Der hieraus geschaffene Kosmos kann auch sozialkritisch gesehen werden und so ist dieser im besten Sinne besondere Kurzfilm wie ein flüchtiger Blick in die Kristallkugel: Ein wenig Glitzer, aber auch ganz viel echtes Leben.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Experimentalfilm; Kurzfilm
Regie:Ulu Braun
Darsteller:Gina-Lisa Maiwald; Mietze Maiwald; Dietlind Sommer; Milan Braun
Drehbuch:Ulu Braun
Kamera:Kai Herrmann
Schnitt:Ulu Braun
Musik:Fritz Rating
Webseite:ulubraun.com;
Länge:26 Minuten
Produktion: Studio Ulu Braun Ulu Braun
FSK:6
Förderer:FFA

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Wie schaut ein Kind auf die Welt? Wie sieht es das, was wir als Erwachsene schon längst kennen? Was Ulu Braun in seinem experimentellen Kurzfilm DAS GLITZERN IM BARBIEBLUT zu zeigen versucht (und - das sei vorweggenommen, es gelingt ihm auch überwiegend), ist genau dieser kindliche, naive Blick auf die Welt, dieses abschweifende, flanierende Umherschauen, das mal da und mal dort verweilt, das der Hierarchie der Dinge und der Perspektiven noch nicht so unterworfen ist wie ein/e Erwachsene/r das wäre. Fast zwangsläufig ergeben sich durch diesen Blick aber auch Leerstellen und offene Fragen, die der Film nicht beantworten mag, Fäden, die aufgegriffen, aber nicht bis zum Ende verfolgt werden, Rätsel, die sich nicht auflösen und enthüllen. Auch scheint die Perspektive mehrmals zu wechseln und selbst da, wo sie eindeutig ist, durchdringen sich die Bilder des Kinds und die Gedanken der Mutter gegenseitig und zeugen von einer tiefen und symbiotischen Beziehung zwischen den beiden.

Die Rätselhaftigkeit, die womöglich der kindlichen unzuverlässigen Erzählperspektive geschuldet ist, ergibt sich bereits bei der Geschichte, die erzählt wird und in der einiges auf den ersten Blick nicht zusammenpasst: Eine alleinerziehende Mutter lebt mit ihren beiden Töchtern offensichtlich auf der Straße, dennoch scheint es ihnen aber an Geld nicht zu mangeln, was sich allein daran zeigt, dass ein Flug in die USA ohne erkennbaren Zweck locker möglich zu sein scheint. Nach und nach enthüllen sich in den Gesprächen zwischen Mutter und Tochter so etwas wie Fragmente einer Familiengeschichte, in der man beispielsweise erfährt, dass die Mutter bereits mit 14 Jahren von zuhause ausriss und dass der Vater ein Mercedes-Autohaus besessen habe, was später auf der Bildebene dadurch aufgegriffen wird, dass mehr als einmal abgebrochene Sterne der Marke sichtbar ins Bild gerückt werden.

Aber lebt die Familie tatsächlich ohne festes Dach über dem Kopf? Einmal sehen wir ein eingerichtetes Kinderzimmer mit dem Blick nach draußen - aber vielleicht ist dies ja auch nur einer jener Zeitsprünge, der für die hier gewählte Erzählstrategie des Sprunghaften und Zufälligen steht und für das gleichbedeutend Nebeneinanderstehende typisch ist. Jedenfalls ergibt sich niemals das Bild von prekären Lebensverhältnissen oder Verwahrlosung, sondern vielmehr scheint das Leben, dass die Mutter mit ihren beiden Kindern führt, einfach ein Gegenmodell zu dem Leben „normaler“ Familien zu sein, bzw. bekannte Kategorien zu vermeiden und dem eine Art Utopie entgegenzustellen.

Auf diese Weise gelingt Ulu Braun ein vielschichtiger und komplexer Film, der neue Sichtweisen aufzeigt, der einen die Welt mit anderen Augen sehen lässt und der sein Publikum herausfordert, aber in keinem Moment je langweilt oder kaltlässt. Die Jury der FBW entschied sich für die Vergabe des Prädikates BESONDERS WERTVOLL.