Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
Die hier zu bewertende "filmische Reisebeschreibung" von Ulrike Ottinger hat im Ausschuss eine ungewöhnlich lebhafte Diskussion hervorgerufen. Die im Februar 1985 in Beijing, im März anschließend in den Provinzen Sichuan und Yunnan enstandenen AUfnahmen "passen" weder in herkömmliche Dokumentarfilm-Muster noch in heute vorherrschende Normen der ethnologischen Kinematographie. In entscheidenden, unwiederholbaren Situationen, einfühlsam und nahe mit der Handkamera vorgehend, lädt die Filmerin uns einerseits zu geduldigem Hinschauen, zu ganz persöhnlichen Ein-Sehen ein, während auf der anderen Seite Orientierungshilfen, die über wenige Kapitalhinweise und Sachangaben in der filmisch durchaus bewährten Form von Inserts (Zwischentiteln) hinausgingen, fehlen. So muss der Zuschauer sich auf einen - im Ton von Margit Eschenbach hervorragend situationssensibel gestalteten - Filmbericht einlassen, der ihm eine provozierende Übung im geduldigen, aufnahmebreiten Hinschauen abverlangt. Wenn ihm dies gelingt, dürfte ihm gerade ein so persöhnlicher Filmbericht die Augen für die Lebensvielfalt bei aller vordergründiger "Monotonie" im heutigen China öffnen. Es bleibt dem Zuschauer vorbehalten, aus dem subjektiven, aber künstlerisch entschiedenen Film ebenso persöhnliche Zusammenhänge zu gewinnen.