Chemkids
FBW-Pressetext
Chemnitz ist nicht hip oder chic. Und gerade für junge Leute bietet die Stadt, über die eine Steinbüste des ehemaligen Namensgebers Karl Marx noch heute mit strengem Blick wacht, keine wirkliche Perspektive. Also hängen die jungen Leute miteinander ab. Auf den Skater-Plätzen, den Hochhausdächern, den Feldern vor der Stadt. Oder im American Diner, der wie ein Fernweh und Sehnsucht atmender Fremdkörper in der starren Stadtkulisse wirkt. In seinem Kurzdokumentarfilm CHEMKIDS kommt der Nachwuchsregisseur Julius Gintaras Blum, der an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert, seinen jungen Protagonist:innen sehr nahe. Durch ein Zwiegespräch mit der Stadt, vorgetragen von einer jungen weiblichen Erzählstimme, erhält der Film eine poetische Note, dazu schwingt in den wunderschön fotografierten und montierten Bildern auch eine gewisse spätsommerliche Melancholie mit. Dass der Film jüngere und ältere Menschen gleichermaßen zeigt, unterstützt die Aussage des Films, eine Stadt mit Geschichte zu zeigen. Eine Geschichte, die in der Zukunft nur weitergehen kann, wenn sie für die Menschen eine Zukunft schafft. CHEMKIDS ist als kaleidoskopisches Stadtporträt ein sehr gelungenes und in seinen Bildern ein sinnlich-schwelgendes Filmessay.Filminfos
Gattung: | Dokumentarfilm; Kurzfilm |
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Regie: | Julius Gintaras Blum |
Drehbuch: | Julius Gintaras Blum |
Kamera: | Philipp Schaeffer |
Schnitt: | Viola Pröttel |
Musik: | Selma Juhran |
Länge: | 27 Minuten |
Produktion: | Filmakademie Baden-Württemberg GmbH |
Förderer: | Filmakademie Baden-Württemberg |
Jury-Begründung
In seinem Kurzdokumentarfilm CHEMKIDS versucht Julius Gintaras Blum, das Lebensgefühl einer Stadt einzufangen. Chemnitz war in der DDR eine Industriemetropole mit dem Namen „Karl-Marx-Stadt“ und das Denkmal des Gesellschaftstheoretikers ist immer noch ein Wahrzeichen der Stadt, das auch Blum in seinem Film zeigt. Allerdings lässt er junge Skateboarder an dem schweren steinernen Kopf vorbeifahren, und dies wirkt wie ein Sinnbild für die Veränderungen vor Ort. Heute ist Chemnitz im Umbruch und auf der Suche nach einer neuen Identität. Und dieses Stadium einer Entwicklung hat Blum mit seinen Momentaufnahmen eingefangen.Der Film wirkt wie ein Kaleidoskop, denn er folgt einer eher assoziativen Dramaturgie und zeigt eine möglichst große Bandbreite von Menschen, die heute in Chemnitz leben. Ein älterer Mann präsentiert da stolz die Gurken in seinem Schrebergarten, ein auch schon in die Jahre gekommener Diskjockey erklärt, was für ihn „Ostalgie“ ist und was nicht und es gibt Aufnahmen von arbeitenden Menschen in Industrieanlagen, die grundsätzlich ganz ähnlich auch in dem Werbefilm für die Stadt aus den 1970er Jahren hätten auftauchen können, den Blum als einen Prolog am Beginn seines Film in Ausschnitten zeigt.
Aber Blum ist vor allem daran interessiert, wie junge Menschen heute in Chemnitz leben, und so zeigt er junge Frauen, die zusammen Schlittschuhlaufen oder auf einem Dach mit Aussicht auf die Esse abhängen, einem großen Industrieschornstein, der inzwischen nachts in bunten Farben beleuchtet wird. Vielleicht um „das Graue der Stadt zu verdecken?“ – fragt einer von diesen jungen Menschen, von denen einige dann auch möglichst schnell fortwollen aus dieser Stadt. So etwa die junge Frau, die ihrem Freund in einem amerikanischen Diner (!) ihre eher kosmopolitische Lebensplanung erklärt, während dieser lieber die nächsten Jahre seiner Lehrzeit in seiner Heimatstadt verbringen will. Solche Szenen wurden, so die Meinung der Jury, offensichtlich gestellt, und damit ist CHEMKIDS eher ein Hybrid als eine rein dokumentarische Arbeit. Diese Freiheit in der Wahl seiner filmischen Mittel nutzt Blum einfallsreich, wenn er etwa seinen Film am Schluss so schneidet und inszeniert wie ein Musikvideo.
Der Regisseur scheut auch nicht vor poetischem Pathos zurück, wenn seine weibliche Erzählstimme von der „Kraft des Löwenzahns“ reden lässt, die Steine bersten lässt. Aber auch dies passt zu der optimistischen Grundstimmung, die CHEMKIDS verbreitet, ohne dabei die Widersprüche der Stadtentwicklung auszusparen. Und so ist hier ein filmisch originelles und unterhaltsames Stadtporträt gelungen, das die Jury gern mit dem Prädikat BESONDERS WERTVOLL auszeichnet.