Filmplakat: Carrotica

FBW-Pressetext

Das Schöne an Fantasien ist, dass man in Gedanken das ausleben kann, wozu man sich im wahren Leben nicht traut. So geht es auch dem 16-jährigen Nadav, der in seinem Zimmer eine queere, erotische Geschichte schreibt. In dieser geht es oft um seinen Mitschüler und Kumpel, dem er sich allerdings nie offenbaren würde. Nadavs Mutter ist Fruchtbarkeitsforscherin und hat sich Karotten als Studienobjekt ausgesucht. Als eines Tages eine ganz besondere Karotte ihre Aufmerksamkeit weckt, spürt auch Nadavs Mutter, welch verborgene Sehnsüchte in ihr schlummern. Der Kurzanimationsfilm CARROTICA von Daniel Sterlin-Altman spielt mit augenzwinkerndem Humor mit den offensichtlichen Assoziationen, die ein phallisch geformtes Gemüse bei den Rezipienten auslösen kann. Doch so einfach macht es sich der Film nicht. Viel subtiler geht Sterlin-Altman vor und macht die Karotte, die Nadavs Mutter dazu bringt, sich ihren Sehnsüchten in einem wunderbar orchestrierten Tagtraum hinzugeben, zu einem vielschichtigen Symbol für queere Befreiung. Das Herz des Stop-Motion-Knetanimationsfilms liegt dabei aber gar nicht in der Story, sondern in der wunderbar unaufgeregt und warmherzig geschilderten Beziehung zwischen Mutter und Sohn. Dass eine solche Beziehung, gerade in Bezug auf gegenseitigem Vertrauen und Respekt – sehr fragil sein kann, zeigt sich in einer Schlüsselszene des Films. Mit nur wenigen Dialogen, einem extrem kreativen künstlerischen Konzept und einem genauen Gespür auch für Zwischentöne gelingt Daniel Sterlin-Altman mit CARROTICA ein wichtiger filmischer Beitrag zur queeren Emanzipation.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Coming-of-Age; Kurzfilm
Regie:Daniel Sterlin-Altman
Darsteller:Summer Banks; Enaitz Greaney; Daniel Sterlin-Altman
Drehbuch:Daniel Sterlin-Altman
Kamera:Philip Köhler
Schnitt:Daniel Sterlin-Altman
Musik:Lena Radivoj; Felix Gayed
Länge:13 Minuten
Verleih:interfilm Berlin Short Film Sales & Distribution
Produktion: Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF
FSK:12
Förderer:Filmuniversität Babelsberg

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der Erzähler in diesem Stop-Trick-Animationsfilm ist ein 16-jähriger junger Mann, der seine schwulen Sehnsüchte und Fantasien in Erzählungen ausdrückt. Seine alleinstehende und einsame Mutter, die sich beruflich mit Karotten beschäftigt, beginnt diese als Objekte ihrer Begierde anzusehen. Und auch im Film selber werden Karotten zu erotischen Wesen, die in surrealen Visionen zu Verführern werden. Der gehemmte Teenager beschreibt seine erotischen Wunschträume mit sexuell sehr deutlichen Worten, und auch im Film selber wird mit einer „queer gaze“ auf Männerkörper geblickt. Aber durch die cartoonhafte Animation, in der auch das Gemüse sinnlich aufgeladen präsentiert wird, verliert diese Erotik jeden Anflug von Voyeurismus. So kann hier, gerade weil diese Coming of Age Geschichte mit den Mitteln der Verfremdung und des Humors gestaltet wird, überraschend berührend und komplex von diesen beiden Menschen erzählt werden. Nach einer Krise, die dadurch ausgelöst wird, dass die Mutter die geheimen Notizen ihres Sohnes liest, wird eine Annäherung zwischen den beiden möglich, weil sie sich die eigenen Wünschen und Unsicherheiten eingestehen können. Dass sie dies durch trockene Sprüche wie „You need a hobby“ ausdrücken, gibt dem kleinen Film einen ganz eigenen, zärtlichen Witz, der „CARROTICA“ zu einem queeren ‚feel good movie‘ werden lässt.