Can You Ever Forgive Me?

Kinostart: 21.02.19
VÖ-Datum: 11.07.19
2018
Filmplakat: Can You Ever Forgive Me?

FBW-Pressetext

Melissa McCarthy brilliert in Marielle Hellers Kinofilm CAN YOU EVER FORGIVE ME? über die Schriftstellerin Lee Israel, die in den 1990er Jahren über 400 Briefe berühmter Persönlichkeiten fälschte.

„Wenn du berühmt bist, kannst du dir leisten, ein Arschloch zu sein!“ Das ist der Rat, den ihre Agentin der Schriftstellerin Lee Israel mit auf den Weg gibt, bevor diese aus ihrem Büro stürmt. Denn Lee benimmt sich abweisend, rüde, geradezu ekelhaft unfreundlich. Als sie dringend Geld für einen Tierarztbesuch und ihre Miete benötigt, fällt ihr durch Zufall ein Brief der amerikanischen Komikerin Fanny Brice, über die sie eine Biografie schreiben will, in die Hände. Als sie ihn verkaufen will, erfährt sie von einer Buchhändlerin, dass solche Briefe bei Sammlern hohen Wert haben. Und je interessanter der Inhalt, desto mehr klingelt die Kasse. So setzt sich Lee an ihre Schreibmaschinen und schreibt ein paar Briefe. Als Dorothy Parker, Noel Coward, Ernest Hemingway. Keiner merkt etwas. Und die Kasse klingelt. Bis das FBI Lee auf die Schliche kommt. Über 400 Briefe hat Lee Israel in den 1990er Jahren gefälscht – einige davon sind bis heute im Umlauf. Mit CAN YOU EVER FORGIVE ME? verfilmt die Regisseurin Marielle Heller nun die Memoiren der Brieffälscherin. Auf der einen Seite ist die Geschichte skurril und regt aufgrund ihrer Absurdität zum Schmunzeln an. Doch der Film ist auf der anderen Seite auch tieftraurig und erzählt die Geschichte einer gescheiterten Existenz, die mit ganz realen Nöten ihr Leben alleine verbringt. Melissa McCarthy ist phänomenal in dieser Rolle und spielt Israel schnodderig schlitzohrig. In ihrer Entschlossenheit, Menschen nicht zu mögen, wirkt die Liebe zu ihrer Katze umso berührender, was auch für die Zweckfreundschaft mit Jack Hook gilt, einer weiteren gescheiterten New Yorker Existenz. Richard E. Grant spielt Hook als extravaganten und ständig abgebrannten Flaneur, der mit seinen Bonmots einem Oscar Wilde gleich den perfekten Gegenpart zu Israel bildet. Ihre ungewöhnliche Freundschaft sorgt für viele gelungene und scharfzüngige Dialoge, bei denen man trotz allem auch eine tiefe innere Verbundenheit spürt. Hellers Erzählton ist auch dank des exzellenten Drehbuchs von Nicole Holofcener ruhig und fließend, selbst die Enttarnung Israel geschieht ohne künstliche Dramatik. CAN YOU EVER FORGIVE ME? ist ein wunderbar eleganter, fantastisch gespielter und sorgsam inszenierter Film über eine Schriftstellerin, deren größtes Verbrechen auch ihr bestes Werk war.

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm
Regie:Marielle Heller
Darsteller:Melissa McCarthy; Richard E. Grant; Dolly Wells; Ben Falcone; Gregory Korostishevsky; Jane Curtin; Stephen Spinella; Christian Navarro; u.a.
Drehbuch:Nicole Holofcener; Jeff Whitty
Kamera:Brandon Trost
Schnitt:Anne McCabe
Musik:Nate Heller
Länge:107 Minuten
Kinostart:21.02.2019
VÖ-Datum:11.07.2019
Verleih:Fox
Produktion: Archer Gray, Fox Searchlight Pictures;
FSK:0
BD EAN-Nummer:4010232078148
DVD Extras:Entfallene Szenen; Promo-Clips; Audiokommentar von marielle heller und Melissa McCarthy; Galerien; Kinotrailer;

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Es ist schon große Kunst, wenn im Film aus einem an sich eher unausstehlichen Charakter eine berührende Figur entsteht. Und es beweist großes Können, wenn eine Schauspielerin, die als Ulknudel weltbekannt ist, als Hauptdarstellerin in einem Drama vollauf überzeugen kann. Beides ist in CAN YOU EVER FORGIVE ME? geglückt. Regisseurin Marielle Heller hat für die Hauptrolle des Dramas Melissa McCarthy gewinnen können. Die hierzulande vor allem aus völlig überdrehten Actionkomödien bekannte Schauspielerin erweist sich als Idealbesetzung für die Hauptrolle der Schriftstellerin Lee Israel.

Aber CAN YOU EVER FORGIVE ME? als Drama zu bezeichnen, trifft den Nagel auch nicht wirklich auf den Kopf. Die Verfilmung der Memoiren Lee Israels ist eher eine charmant-melancholische Tragikomödie, in der McCarthy mit ihrer herzlich-rauen Art glänzen kann. Als Schriftstellerin Lee Israel Anfang der 1990er Jahre keine Unterstützung mehr von ihrem Verlag bekommt, verfällt sie in eine schwere Krise. In dem Maße, wie ihr Kontostand sinkt, steigt ihr Alkoholpegel. Israel ist pleite, desillusioniert, aggressiv und misanthropisch. Der einzige Freund ist JackHook, ein tuntiges Faktotum, das sich mit dem Verkauf von Drogen über Wasser hält. Durch einen Zufall erfährt Lee Israel, wie wertvoll Autographen, also von Prominenten geschrieben Briefe, sein können. Israel nutzt ihr schriftstellerisches Können, verfasst pikante Schreiben, fälscht Unterschriften und kommt endlich wieder zu Geld. Aber das Geschäftsmodell bringt das FBI auf den Plan.

Buchhändler, Antiquariate, Schreibmaschinen. CAN YOU EVER FORGIVE ME? ist ein auf wunderbare Art altmodischer Film. McCarthys Lee Israel wirkt darin wie ein fester Bestandteil einer Welt, die wie sie längst vom Untergang gezeichnet ist. Völlig elegant, sanft und reibungslos, völlig smooth scheint die Handlung ausgearbeitet zu sein und in der Tat müssen Zuschauer schon nach Ecken und Kanten suchen, an denen sie sich reiben können. Aber sie sind da: CAN YOU EVER FORGIVE ME? ist eine cineastische Perle, die aus einer Zeit zu berichten scheint, in der Menschen noch Persönlichkeiten sein konnten, stolz auf alle kleinen und größeren Macken die sie eben ausmachen. Israel Begleiter Jack Hook ist ein glänzendes Beispiel dafür. Der Brite Richard E. Grant verkörpert ihn als genauso charmanten wie manipulativen Mann, der versucht, jeder noch so schäbigen Gelegenheit etwas Positives abzutrotzen, sei es ein Dollar oder eine schnelle Nummer.

Grant und McCarthy sind zweifellos geniale Schauspieler. Dass sie aber so brillant miteinander funktionieren, ist zumindest zum Teil der hervorragenden Schauspielführung Marielle Hellers zu verdanken. Überhaupt zeigte sich die Jury in der Diskussion von deren Befähigung zutiefst beeindruckt. Ihr Film ist nicht nur ein hervorragendes Biopic, sondern auch ein Film, der einer genauso bigotten wie elitären Literaturszene kräftige Seitenhiebe erteilt. Ihr CAN YOU EVER FORGIVE ME? lässt die Zuschauer die schrullige Lee Israel nicht nur begreifen, sondern gar mit ihr fühlen. Bis zum Schluss bleibt sie depressiv, bis zum Schluss ohne Befreiung, das aber lässt sich durchaus aushalten.

Heller packt all das in ein prächtig gefilmtes und ziemlich angeranztes New York, das - unterlegt mit jazzigem Score – auch ein wenig wie aus Woody Allens Filmen wirkt. Und dazu arbeitet sie mit markant-schrulligen Charakteren, die sicherlich in Erinnerung bleiben.