Butterfly Kiss

Filmplakat: Butterfly Kiss

FBW-Pressetext

Carol hat Angst vor Veränderungen. Nach einem Heiratsantrag ihrer Freundin Ray gerät die junge Frau in Panik und es kommt zu einem Streit. Kurz danach erwacht Carol in einem apokalyptischen Szenario und stellt mit Schrecken fest, dass sowohl Ray als auch die restlichen Bewohner der Stadt sich in Schmetterlinge verwandelt haben. Doch was bedeutet das jetzt für ihre Beziehung? BUTTERFLY KISS greift das Thema der Anpassung in einer Partnerschaft auf. Der Film setzt geschickt Elemente des Horrorgenres ein und nutzt die Verwandlung in Schmetterlinge als eine zentrale Metapher. Im Kern stellt sich die Frage: Wie viel ist Carol bereit, für die Liebe zu opfern? Dieser innere Konflikt zwischen Konformität und Individualität zieht sich in einem dramaturgisch klug erdachten Spannungsbogen durch den gesamten Film. Der Kurzfilm von Zohar Dvir beeindruckt durch die ausgefallene Animation, die mit klaren Farbmustern spielt und Gesten und Bewegungen der Figuren auf klare Bilder hin reduziert. So lässt der Film der tiefgründigen und komplexen Geschichte Raum zur Entfaltung und bietet dem Zuschauer viel Interpretationsspielraum. Ob am Ende eine gemeinsame Zukunft steht oder Ungewissheit, das lässt der Film offen. Auch hier entsteht die Bedeutung des Bildes im Auge des Betrachtenden. Eine großartige künstlerische und filmische Leistung.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Animationsfilm; Kurzfilm
Regie:Zohar Dvir
Drehbuch:Zohar Dvir
Schnitt:Zohar Dvir
Musik:Hila Ruach
Webseite:zohardvir.com;
Länge:10 Minuten
Produktion: Fabian&Fred GmbH Fabian Driehorst, The Hive Studio;
Förderer:FFA; MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Der animierte Kurzfilm BUTTERFLY KISS erzählt im Stile des Body-Horrors und in Verbeugung vor Kafkas Verwandlung eine Romanze mit offenem Ausgang. Die Jury diskutierte sehr umfänglich die in sich geschlossene und sehr schlüssige Geschichte, die für ihre Entfaltung nur 10 Minuten benötigt. Anregend und interessant fand die Jury die offenen Interpretationsräume, denen auch die grafische Gestaltung sehr stimmig entgegenkommt. Mit überraschenden Wendungen und verschiedenen Stufen auf der Erzählebene wird sowohl durch suggestive als auch reale Momente Verwirrung gestiftet. Mit Hilfe immer wiederkehrender Traumbilder wird eine Ebene jenseits der Realität aufgemacht, die verwirrt und mit den Elementen des Horrors ebenso spielt wie mit denen des Psycho-Thrillers.
Die hier aufgefächerte Beziehungsgeschichte, über eine Verbindung, die nur hält, wenn es eine gemeinsame Vorstellung von Zukunft gibt, entwickelt ihren Horror in verschiedene Metaphern. Horror entsteht immer dann, wenn sich Ängste in eingeübte Realität mischen, Veränderungen als Gefahr wahrgenommen werden oder Ungemach von einer äußeren Gefahr droht. All das kann man in BUTTERFLY KISS filmisch erleben, lobt die Jury. Ray und Carol, ein lesbisches Paar, lebt in großer Harmonie zusammen. Ray möchte die Beziehung festigen und macht Carol einen Heiratsantrag. Wir sehen im Zuge des wachsenden Horrors immer wieder die Schachtel mit dem Ring. Panik ergreift Carol. Sie reagiert mit Ablehnung. Am nächsten Morgen hat sich Ray in einen Schmetterling verwandelt, der einen insektenähnlichen Kopf mit dem immer noch menschlichen Körper verschmelzt. Wir sehen aber auch gleich zu Beginn des Films, wie in einer zukünftigen Stadt ohne Grün, der letzte Baum gefällt wird, aus dem ein Schmetterling entweicht. Ist diese Verwandlung doch Teil einer Infektion, der die Zerstörung der Natur innewohnt? Immer wieder fliegen am Fenster der Wohnung von Ray und Carol Schmetterlingsmenschen vorbei. Sie tragen Aktentaschen und andere Utensilien des Alltags. Damit Ray nicht entschwinden kann, sperrt Carol sie ein. Viele Assoziationen wurden in der Jury diskutiert. Zum Beispiel die Frage, ob die Metapher der Ehe als Bedrohung einer freien Beziehung, die diese Verwandlung auslöst, besser erkennbar wäre, wenn wir es mit einem heterosexuellen Paar zu tun hätten? Erschließt sich das Drama des Erzählten im Horror überzeugend? Sind die vorbeifliegenden Verwandelten in einem tristen Alltag gefangen oder doch Infizierte?
Letztendlich erweisen sich diese Fragen, so die Jury, als unerheblich für die Geschichte. Es ist dieser Zwang, der auch gesellschaftlich immer noch unterstützt wird, der Paare in eine Zwangssituation geraten lässt. Der ausgelöste Horror wird überzeugend bebildert. Die infektiöse Flüssigkeit läuft über die Schachtel mit dem Ring, befleckt förmlich den Ring. Damit ist auch die Absicht befleckt, die im Antrag steckt und den Horror auslöst. Der gefällte Baum zu Beginn steht für einen zerstörten Lebensraum. Zusätzlich wird durch den Akt der Normierung in immergleichen Fassaden der Gebäude die Idylle der Freiheit und Unabhängigkeit förmlich erstickt. Damit gibt die Verwandlung zwei Entwicklungsmöglichkeiten frei: den der Flucht und dem Erhalt der Individualität oder dem Erhalt der Beziehung, die am Schluss durch die Verpuppung einen gemeinsamen Weg aus den Zwängen in einer anderen Existenz sucht.
Die Jury lobt die reduzierte Grafik, die sehr flächig, mit einem eigenen künstlerischen Entwurf auftritt. Sterile Hintergründe bespielen die zweite Erzähleben - die Zerstörung natürlicher Lebensräume für Mensch und Tier. Glas und Grau bleiben übrig, die den eintönigen Alltag grafisch überzeugend darstellen. Die Farbigkeit der Verwandelten und Nichtverwandelten aber impliziert Hoffnung auf einen Ausweg. Die Faszination der Animationsfilmregisseurin Zohar Dvir, die auch das Drehbuch entwickelte, für Psychologie und Psychoanalyse, um gesellschaftliche und zwischenmenschliche Beziehungen auszuloten, kann ganz zum Tragen kommen. Überlegen führt sie am Ende zu der Frage, was uns menschlich macht.
Nach sehr anregender Diskussion verleiht die Jury dem Film BUTTERFLY KISS sehr gern das höchste Prädikat BESONDERS WERTVOLL.