Bruder Jakob

Kinostart: nkT
2016
Filmplakat: Bruder Jakob

FBW-Pressetext

Jahre nachdem sein Bruder Jakob zum Islam konvertiert und sich dem Salafismus zuwendet, nimmt der junge Filmemacher Eli ROLAND Sachs den Kontakt zu ihm wieder auf. Er trifft auf einen jungen Mann, der noch immer auf der intensiven Suche nach einem sinngebenden Ordnungsprinzip ist. Mit den Auswirkungen seiner Missionierungsversuche konfrontiert, erkennt Jakob, dass seine Glaubensauslegung für viele zu einer Distanzierung von ihm führt und leitet einen Richtungswechsel ein. Salafismus, seit mehreren Jahren allgegenwertig in den Medien, bezeichnet eine konservative Strömung im Islam, deren Anhänger sich auf ein Wertesystem der "Altvorderen" rückbesinnen. Spätestens seit Beginn des 21. Jahrhunderts sieht sich der Salafismus dem Vorwurf ausgesetzt, für eine Vielzahl von terroristischen Anschlägen verantwortlich zu sein. Religiöser Fundamentalismus, Extremismus, Terrorismus - das sind auch die Assoziationen vieler Menschen in Deutschland. Was aber nun, wenn der eigene Bruder diesen Glauben annimmt? Dies ist die zentrale Frage, der sich Eli Roland Sachs in BRUDER JAKOB stellt. Ihm gelingt mit dem Film ein intimes Familienporträt, das politische Verallgemeinerungen zugunsten einer radikalen Subjektivität ausblendet. Miteinbezogen werden auch die ehemaligen besten Freunde Jakobs und auch die eigene Familie. Sie berichten glaubhaft von ihrer Irritation, als der doch so weltoffene junge Mann, der immer gerne diskutierte, sich auf einmal zum salafistischen Missionar wandelte. Gerade mit dieser sehr persönlichen Perspektive schafft es der Film, Einblicke in ein Milieu zu geben, die in der üblichen medialen Berichterstattung oft fehlen. BRUDER JAKOB ist eine persönliche Geschichte mit universeller Botschaft. Ein Film, der berührt und Aufklärung betreibt, ohne ein moralisches Urteil zu fällen.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm
Regie:Eli Roland Sachs
Kamera:Eli Roland Sachs
Schnitt:Yana Höhnerbach
Musik:Antonio de Luca
Länge:93 Minuten
Kinostart:
Produktion: DOKOMOTIVE Filmkollektiv Sachs und Lenz GbR
Förderer:KJDF; Film- und Medienstiftung NRW

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Viel ist derzeit die Rede von Konvertiten, die zum Islam übertreten und sich immer wieder (so erweckt jedenfalls die Berichterstattung den Eindruck) radikalisieren und beispielsweise als Kämpfer für den IS in den Dschihad ziehen. Doch was man sonst nur als Nachricht im Radio hört oder im Fernsehen sieht, kann sich manchmal auch direkt in der eigenen Familien abspielen - wie etwa im Falle des Filmemachers Elí Roland Sachs, dessen jüngerer Bruder Jakob zum Islam konvertierte und sich dann dem Salafismus zuwandte. Dies ist der Ausgangspunkt für eine Langzeitbeobachtung und Spurensuche, in deren Verlauf der Filmemacher immer wieder Versuche einer Annäherung unternimmt, obwohl ihm die Umstände und Motive seines Bruders unklar bleiben. Stark sind dabei vor allem die Szenen, in denen Jakob sich aufgrund seiner Hinwendung zum Salafismus von seiner Familie entfernt: So müssen er und seine Frau beispielsweise erkennen, dass sie plötzlich bei Familienfesten zumindest teilweise nicht mehr erwünscht sind. Und selbst lange Diskussionen können daran nichts ändern.

Dank des verwandtschaftlichen Verhältnisses zwischen dem Filmemacher und seinem Bruder kommt man dabei einem Konvertiten so nahe wie kaum je zuvor, was den Blick weitet und unerwartete Einblicke gewährt. Allmählich versteht man, dass Jakob in erster Linie ein Sinnsuchender ist, der wie viele andere Menschen unserer Zeit das Erodieren der Religionen und Ideologien nicht als befreiend, sondern vielmehr als belastend versteht. Und vielleicht muss man dies berücksichtigen, wenn sich Jakob gemeinsam mit seiner Frau irgendwann unvermittelt vom Salafismus abwendet und sich einer neuen Glaubensrichtung, dem Bahaitum zuwendet, das alle religiösen Schriften als gemeinsames göttliches Erbe anerkennt.

Doch es gibt auch einige Schwächen, die der Film nach Ansicht der Jury aufweist: Als bedauerlich wurde unter anderem empfunden, dass man Jakob erst nach seinem Übertritt zum Islam bzw. zum Salafismus kennenlernt und dass der Film kaum je Hinweise darauf gibt, dass Jakob vorher ein ganz anderer Mensch war - zumindest nach außen hin. So ist im Presseheft unter anderem zu lesen, dass er früher durch die Clubs zog, kiffte und als DJ auflegte - Lebensumstände, von denen auch in den Gesprächen selbst nur wenig zu erfahren ist. Auch die Phase des Übergangs bzw. der Hinwendung zum Islam wird lediglich als Erweckungserlebnis während eines Marokko-Aufenthalts beschrieben - hier wären in den Augen der Jury Nachfragen hilfreich gewesen, um besser zu verstehen. Bemängelt wurde zudem, dass Jakobs Lebensrealität und die genaueren Umstände völlig ausgeblendet wurden: Arbeitet er? Was sagt seine Umwelt zu seinem neuen Leben? Durch die fast ausschließlich private Sicht auf ihn, ist es für die Jury schwierig, trotz vieler Bekenntnisse ein genaues Bild von dem Porträtierten zu gewinnen. Und auch das Thema Gewalt und Dschihad kommt niemals wirklich zur Sprache - dabei ist gerade dies die Frage, die sicher die Zuschauer auch interessiert hätte. Denn hier hätte es die Chance gegeben, mediale Konstruktionen zu hinterfragen und gegebenenfalls zu revidieren. Zumal insbesondere der im Film auftauchende Imam Abdul Adhim Kamouss eine durchaus differenzierte Haltung zur Gewalt hat - dies sind aber abermals Informationen, die im Film selbst nicht zur Sprache kommen, sondern die sich im Pressematerial verbergen.
DieJury hat sich aufgrund der genannten Qualitäten des Films für die Erteilung des Prädikates „wertvoll“ entschieden.