Bis zum letzten Tropfen
FBW-Pressetext
Als die Tür zum Behandlungsraum sich öffnet, möchte der Patient am liebsten wieder umkehren. Doch der Tropf, an dem die lebensrettende Flüssigkeit hängt, lässt ihn nicht so einfach gehen. Von nun an passt der Tropf auf den Patienten auf – auch gegen seinen Willen, er pflegt ihn, er beruhigt ihn, er ermuntert ihn. Und er kämpft um ihn, als der Tod um die Ecke schaut und schon mal eine fertig gezimmerte Holzkiste präsentiert. Doch der Tropf wird weiterkämpfen. Bis zum letzten Tropfen. Die Art, wie der Filmemacher und Animationskünstler Simon Schnellmann das Schicksal eines kranken Menschen erzählt, lässt viel Raum für Leichtigkeit und Humor und nimmt dem Thema die bedrückende Schwere. Dank eines klugen Animations- und Gestaltungskonzeptes, das sich minimalistisch auf wenige Striche beschränkt, gelingt es den Betrachtenden, alles innerhalb und außerhalb des Bildrahmens zu erfassen. Auch wegen der streng Schwarz/Weiß-Farbdramaturgie, einer stimmungsvollen Tonmischung und einem perfekten Timing, das für immer neue bildliche Überraschungen sorgt. Und wenn man nach sechs Minuten eine regelrechte emotionale Beziehung zu Patient, Tropf und auch Tod aufgebaut hat, dann unterstreicht das nur, wie kunstvoll und auf den Punkt BIS ZUM LETZTEN TROPFEN erzählt ist.Filminfos
Gattung: | Animationsfilm; Kurzfilm |
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Regie: | Simon Schnellmann |
Drehbuch: | Simon Schnellmann |
Kamera: | Simon Schnellmann |
Schnitt: | Simon Schnellmann |
Musik: | Marcus Zilz |
Länge: | 5 Minuten |
Produktion: | Simon Schnellmann |
FSK: | 0 |
Förderer: | FFA; Film- und Medienstiftung NRW |
Jury-Begründung
Man muss diesen Film wirklich gesehen haben, um es ganz glauben zu können: BIS ZUM LETZTEN TROPFEN ist ein vor Witz förmlich sprühender Animationsfilm über das ganz und gar nicht witzige Thema Chemotherapie. Seine einzigartige Wirkung entfaltet der Kurzfilm mit absolut reduzierten Mitteln - einer Reihe von Strichzeichnungen in strengem Schwarzweiß. Die Striche aber sind so raffiniert eingesetzt, dass sie ihre eigene Wandlungsfähigkeit demonstrieren und damit schon etwas Metaphorisches annehmen: der gezeichnete "Galgen", an dem die Transfusion hängt, erscheint mal als sich kümmernder Pfleger, mal als Medikamentenstation und wird schließlich zur Repräsentation des gesamten Krankenhaussystems. Im Kontrast dazu, sozusagen als "Negativ" in Weißschwarz gezeichnet – als wäre er die "Rückseite" zum Leben – , lauert in der anderen Bildhälfte immer schon der Tod, der rein figürlich auch mal schon den "Roten Teppich" ausrollt, der winkt und grinst, während auf der andern Seite das "Strichmännchen" sich übergibt und sichtlich abmagert...BIS ZUM LETZTEN TROPFEN ist voller echter, spürbar selbst erlebter Details, die zugleich karikaturistisch zugespitzt werden. Mit dieser Mischung entwickelt der Film einen so mitreißenden schwarzen Humor, der zugleich nichts Zynisches hat, und eine so anrührende Suggestion, dass das zweidimensionale, schwarzweiße Strichmännchen zur absolut dreidimensionalen, schwierigen Figur wird und die Krankheitsgeschichte zum echten Drama. Mit nur ein paar Strichen wird ungeheuer viel erzählt, über das Leiden an der Gerätemedizin, über die Angst vorm Tod, über die Gebrechlichkeit des menschlichen Körpers und die Fragilität seines geistigen Zustands. Ein Film ist so eigensinnig und dabei erfahrungsgesättigt, dass es den Hinweis am Ende auf die "wahre Geschichte" kaum gebraucht hätte. Die Jury vergibt einstimmig das Prädikat "besonders wertvoll".