Bis ans Ende der Nacht
FBW-Pressetext
Christoph Hochhäuslers neuer Film ist rätselhaft-verführerisches und herausforderndes Genre-Kino zwischen Thriller und Liebesdrama.Robert ist verdeckter Ermittler und erhält den Auftrag, das Vertrauen eines Kriminellen zu gewinnen. Um das zu erreichen, lässt er sich durch eine fingierte Beziehung zu der trans*Frau Leni in das Milieu einschleusen. Für Leni ist ein Gelingen der Mission an Straffreiheit gekoppelt, ansonsten geht es für sie zurück ins Gefängnis. Was die Ermittlung zusätzlich erschwert, ist die Tatsache, dass Robert und Leni einmal wirklich ein Paar waren, als Leni noch ein Mann war. Bald schon werden beide nicht nur immer tiefer in die kriminalistischen Verstrickungen des Falls, sondern auch in die wiederkehrenden und widersprüchlichen Gefühle füreinander gezogen.
Christoph Hochhäuslers neuer Film erzählt sich wie ein Tanz auf dem Drahtseil fragiler menschlicher Beziehungen. Ganz dem Erzählstil klassischer Genres wie Thriller, Film Noir oder auch Melodram verhaftet, lassen Hochhäusler und der Drehbuchautor Florian Plumeyer die Figuren in einer sich immer stärker zusammenziehenden dramaturgischen Schlinge umeinander kreisen. Dabei wird schnell klar, dass hier jeder mit jedem verwoben ist, auch wenn die Figuren ihre eigene Agenda, ihren eigenen Antrieb haben. Kamera, Bild- und Farbgestaltung sind exzellent, das schwarz-blaue Kühle inmitten der Frankfurter Skyline und das warme Licht der schwülen Clubnächte schaffen den perfekten Rahmen für die Darsteller:innen, die kongenial zu diesem Setting agieren. Timocin Ziegler spielt den Part des rauen, unnahbaren Cops mit einer Mischung aus Verletzlichkeit und Machismo und Thea Ehre ist die Entdeckung des Films. Eine Femme Fatale mit einer tiefen Sehnsucht nach Liebe, Freiheit und einer eigenen Identität, die noch ganz am Anfang steht. Auf kluge Weise erzählt Hochhäusler über Lenis Figur mit großer Selbstverständlichkeit vom Thema Transsexualität, doch stellt es nicht handlungsbestimmend in den Vordergrund. BIS ANS ENDE DER NACHT spielt mit Erwartungshaltungen, ist bewusst verwirrend und unscharf und baut auf die Mündigkeit der Zuschauenden. Eine absolut lohnende Herausforderung bis zur letzten Minute.
Filminfos
Gattung: | Thriller; Spielfilm |
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Regie: | Christoph Hochhäusler |
Darsteller: | Timocin Ziegler; Thea Ehre; Michael Sideris; Ioana Iacob; Rosa Enskat; Aenne Schwarz; Gottfried Breitfuß; Sahin Eryilmaz; Ronald Kukulies |
Drehbuch: | Florian Plumeyer |
Kamera: | Reinhold Vorschneider |
Schnitt: | Stefan Stabenow |
Webseite: | heimatfilm.biz; |
Weblinks: | kinofans.com; |
Länge: | 120 Minuten |
Kinostart: | 22.06.2023 |
VÖ-Datum: | 01.12.2023 |
Verleih: | Grandfilm |
Produktion: | Heimatfilm GmbH + Co KG, WDR; Arte; |
FSK: | 12 |
Förderer: | BKM; DFFF; German Films; Film- und Medienstiftung NRW; HessenFilm und Medien |
Jury-Begründung
Christoph Hochhäuslers BIS ANS ENDE DER NACHT ist eine in vielerlei Hinsicht beeindruckende Hommage an den Film noir. Da wäre zum einen die Neuaufstellung der Begehrensordnung mit Transgenderfrau Leni (Thea Erbe) als Femme fatale und dem schwulen Polizisten Robert (Timocin Ziegler) als dem ihr Verfallenen. Hinzu kommt eine Kameraarbeit (Reinhold Vorschneider), die auf phänomenale Art und Weise mitzeichnet, was die Erzählung hier, abgesehen vom eher formelhaften Plot einer verdeckten Ermittlung, in Wahrheit interessant und faszinierend macht: Es geht um "Undeutlichkeiten" auf allen Ebenen. Sowohl was die Liebe zwischen den beiden Hauptfiguren angeht, als auch, was ihren Fall betrifft, die Ausspähung des Drogendealers Victor Arth (Michael Sideris) und der diversen Gang- und Clanrivalitäten, die daran hängen.Die Jury empfand den Film mehrheitlich als ästhetischen Hochgenuss, bis in die Details sorgfältig gestaltet und konzeptioniert, der zugleich den Zuschauer auf angenehme Weise fordert und ein Mitdenken und Mitgehen verlangt. Trotz bewusster Genrehaftigkeit gelingt es ihm, stets die nicht vorhersehbare Route einzuschlagen und zu überraschen. Einzelne Bilder und Einstellungen prägen sich nachhaltig ins Gedächtnis ein. bestimmte Kamerabewegungen sind für sich aussagekräftiger als Dialogszenen. Die sorgfältig ausgewählte Musik setzt spannende und ungewöhnliche Akzente. Hochhäusler legt hier nicht nur seine ganz eigene, besondere Handschrift des Filmemachens an den Tag, er zeigt eine sowohl sensible als auch wunderbar subtile Behandlung des Transgenderthemas, das als solches nicht aufdringlich im Zentrum steht, sondern in beiläufiger Präzision gleichsam organisch eingeflochten wird. Der Film ist ganz bei Leni und stellt sie nicht in Frage. Der "Fatalität" des Film noirs zum Trotz gelingt es dem Film so, auf einer positiven, ja sogar ermächtigenden Note zu enden.