Filmplakat: Berzah

FBW-Pressetext

Ein sonnendurchflutetes Hotelzimmer, in dem eine Frau sich vor der Welt verkriechen möchte, eine unschuldige Begegnung auf einer Landstraße, die eine Überraschung birgt und ein ganz und gar nicht unkomplizierter Schranktransport: Diese drei Geschichten, die allesamt an der türkischen Ägäis spielen, bilden die erzählerische Klammer des Kurzepisodenfilms BERZAH von Deren Ercenk. Die Nachwuchsfilmemacherin erzählt mit exakt komponierten Bildern und aufs Minimum reduzierten Dialogen vom Scheitern, von der Ohnmacht in bestimmten Situation, vom Gefangen sein in einem Raum, in einer Begegnung, in einer Tätigkeit. Was BERZAH in seiner Inszenierung zu etwas ganz Besonderem macht, ist die unmittelbare Körperlichkeit der Eindrücke. Man spürt als Zuschauer*in die Hitze, die Unausweichlichkeit, die Enge, die Not der Protagonist*innen. Und erfährt dabei mehr über die Lebensrealität des hier porträtierten Landes als es in vielen Langspiel- oder Dokumentarfilmen der Fall wäre. Mehr Eindruck kann ein Kurzfilm nicht hinterlassen.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Spielfilm; Kurzfilm
Regie:Deren Ercenk
Darsteller:Lise Wolle; Dilara Raika Er; Altan Gördüm; Oktay Cagla; Ferhat Keskin; Ruhat Yildiz
Drehbuch:Deren Ercenk
Kamera:Paul Faltz
Schnitt:Deren Ercenk
Länge:25 Minuten
Produktion: filmfaust GmbH, Kunsthochschule für Medien Köln;
Förderer:Film- und Medienstiftung NRW

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Eine Touristin, die in einer Hotelanlage der Hitze ausgesetzt ist, ein genervter Familienvater und ein Möbelpacker, der vor einer Sisyphosaufgabe steht. BERZAH erzählt drei kurze Geschichten über die Ohnmacht dieser Menschen, die in der Türkei an einem heißen Tag durch ein kleines Fegefeuer gehen müssen.

Drei Episoden, ein zentrales Motiv. In der Diskussion zeigte sich, dass die Jury geradezu körperlich fühlen konnte, welcher Situation sich die Figuren des Films in der Hitze der türkischen Ägäis ausgesetzt sehen. Beinahe schmerzhafte Ausdauer und Starrköpfigkeit zeichnet jede der drei zentralen Figuren in ihren jeweiligen misslichen Lagen aus. Und, wenn man bereit ist, die Bilder zu dechiffrieren, noch wesentlich mehr.

Vom Einstieg bis zum Schluss hat jede Episode die Jury begeistert. Qualvoll ist es, mit anschauen zu müssen, wie sich eine Touristin der Sonne zugewandt fühlt und dennoch doch die Wärme meiden will. Abgeschieden von der Außenwelt, denn die dringt nur auf der Tonebene an des Zuschauers Ohr, ergeht sie sich in ihr selbst auferlegtes Martyrium. So lange, bis der Vorhang im wahrsten Sinne des Wortes fällt und die türkische Lebenswelt mit der nächsten Szene die Leinwand erobert. Tolle Impressionen eines glutheißen Tages und unerträglicher Langeweile, erstklassige, handwerkliche Arbeit, urteilt die Jury, sauber gemacht. Und das gilt auch für Teil Zwei des filmischen Triptychon, in dem ein Dozent an den Rand seiner Leidensfähigkeit getrieben wird und dennoch nicht vermag, sich gegen seinen Peiniger aufzulehnen. Dass es inhaltlich dabei nur um den Kauf von Honig geht, lässt die Story umso genialer erscheinen. In der Diskussion hat die Jury hier durchaus auch einen Kommentar auf die politische Situation in der heutigen Türkei erkennen können, die, zumindest von außen betrachtet, auch einem Machtspiel unter besonderen kulturellen Regeln gleicht. Die schmerzliche Ausdauer ist dann auch im dritten Teil besonders gut zu erfahren, in dem ein Möbelpacker an den Rand des Wahnsinns getrieben wird und dennoch nicht aufzugeben vermag.

Mit ruhigen Bildern erzählt Deren Ercek kraftvolle Geschichten. Sei es die Abschottung des touristischen Sektors, die Abzocke in der Diaspora oder das Sisyphos gleiche Abrackern, die Jury vermeinte schon während der Sichtung die Spaltung der türkischen Gesellschaft verspüren zu können, und dieser Eindruck bestätigte sich auch innerhalb der Diskussion.

Mit hohem künstlerischem Anspruch, klug gewählten Bildern und einer Ruhe, die zunächst nicht an den brisanten Inhalt denken lässt, dokumentiert BERZAH den Alltag einer überaus gespaltenen Gesellschaft. Das hat auch die Jury begeistert.