Berlin Excelsior

Kinostart: 29.11.18
2017
Filmplakat: Berlin Excelsior

FBW-Pressetext

Der Dokumentarfilm BERLIN EXCELSIOR erzählt von einem Mietshaus in Berlin Kreuzberg und seinen vielen Bewohnern, die miteinander die Hoffnung auf ein besseres Leben teilen.

In der Stresemannstraße in Berlin-Kreuzberg wurde zwischen 1966 und 1968 ein Mietshaus erbaut. 17 Stockwerke ist es hoch, über 500 Wohneinheiten finden darin Platz. Bis heute nennt es sich „Excelsior-Haus“, geplant war es als exklusives Wohn- und Geschäftsgebäude. Doch diese Träume sind geplatzt, das Haus wirkt heruntergekommen. Ganz oben aber befindet sich eine Luxusbar, mit Blick über Berlin. In seinem Dokumentarfilm BERLIN EXCELSIOR porträtieren Erik Lemke und sein Kameramann André Krummel die Bewohner des Hauses. Allesamt einzigartige Menschen. Menschen wie Claudia, die in der Bar arbeitet und von einer Karriere als Model träumt – auch wenn es dafür schon ein wenig zu spät sein könnte. Oder Michael, der sich früher als Escortboy verdingt hat und nur noch für den Moment und das Vergnügen lebt. Zumindest bis nächstes Jahr, wenn er 50 wird und dann erst mal entscheiden will, wie und ob es weitergeht. Oder Norman, der mit seinem Startup als Lebenscoach so richtig durchstarten will – und immer größere Schulden bei Freunden und Verwandten anhäuft. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie haben Träume. Träume, etwas Besseres zu werden als das, was sie jetzt sind. Oder das Haus, in dem sie leben. Die Schnelllebigkeit und Anonymität unserer Gesellschaft, das Geltungsbedürfnis und Streben nach etwas Besserem, die ständige Selbstinszenierung in einer Welt der sozialen Netzwerke: Lemke und Krummel bringen all diese Themen und Aspekte auf den Punkt, indem sie die Bewohner des Excelsior-Hauses als Mikrokosmos eben jener Gesellschaft zeigen. Sie selbst kommentieren nicht und halten sich zurück. Doch die entlarvenden Gespräche und Begegnungen der Bewohner und die Kamera, die sich scheinbar unsichtbar in den Wohnungen aufhält, zeigen so viel mehr von ihrem inneren Antrieb, als es in jedem Interview möglich wäre. Das Haus selbst wird von Lemke und Krummel in faszinierenden Bildern eingefangen. Die mächtige Höhe des Baus, die leerstehenden Geschäfte, der auf Hochglanz polierte Aufzug an der bröckelnden Fassade oder die Choreographie des Öffnens der Fenster – das Excelsior-Haus ist mehr als nur Handlungsort, es ist Protagonist. Ein stimmungsvoller Soundtrack und eine exzellente Montage schaffen zusätzliche Atmosphäre. Lemke und Krummel gelingt mit BERLIN EXCELSIOR eine authentische Milieu- und Gesellschaftsstudie, die den Zuschauer für die Dauer des Films einlädt, ebenfalls ein Bewohner des Hauses zu sein.

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm
Regie:Erik Lemke
Drehbuch:Erik Lemke; André Krummel
Kamera:André Krummel
Schnitt:Erik Lemke
Musik:Tobias Burkardt
Weblinks:filmfriend.de;
Länge:87 Minuten
Kinostart:29.11.2018
Verleih:Pandora
Produktion: Rommel Film Filmproduktion Peter Rommel
FSK:0
Förderer:FFA; BKM; MBB; DFFF; KJDF

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Die FBW-Jury hat dem Film das Prädikat besonders wertvoll verliehen.

Im Stile des Direct Cinema nähern sich Erik Lemke und sein Kameramann, André Krummel, in ihrer Langzeitbeobachtung den Bewohnern des geschichtsträchtigen Wohnkomplexes Excelsior-Haus und dessen sozialer Struktur. Bei komplettem Verzicht auf Interviews sowie jeglicher Interaktion von Protagonisten mit der Kamera, ziehen sich Lemke und Krummel ganz auf ihren Beobachterposten zurück und lassen ihre Protagonisten machen. Und so entfaltet sich eine fein gezeichnete Miniatur der Berliner Gesellschaft, ein spannendes Kaleidoskop von Menschen, die alle auf ihre Art für die Umsetzung ihrer individuellen Träume und Sehnsüchte kämpfen. Faszinierend wird der Film u.a. an den Momenten, in denen sich als Gemeinsamkeit der Träume und Sehnsüchte das Ziel herauskristallisiert, von anderen wahrgenommen zu werden, etwas zu bedeuten, im Gegenüber reflektiert zu werden. Sei es als Model, als Escort-Boy, als Heilerin, als Coach, als Fotograf: Die Protagonisten suchen nach Wegen, Aufmerksamkeit, auch Anerkennung im Gegenüber zu erwecken. Und so bringt der Filmemacher Erik Lemke seine Protagonisten denn auch konsequent zusammen und lässt sie mit anderen interagieren. Szenen, in denen jeder auf irgendeine Art den anderen zu therapieren sucht, etwa in der Konfrontation eines ADHS-Patienten mit einer Kartenlege-Autodidaktin, glänzen vor absurder Schönheit und entwickeln eine Dynamik, die einem Drehbuchautor vermutlich niemand durchgehen lassen würde. Der Blick auf diese Vielfalt an individuellen Lebensentwürfen verliert dabei niemals ein rührendes Maß an Zuneigung, das jedem Zuschauer seinen persönlichen Zugang ermöglicht.
Der starken Filmmontage ist es zu verdanken, dass aus einem solchen Reigen spannende dramaturgische Erzählbögen entstehen und sich Protagonisten formen, die komplex genug erscheinen, um nicht als dünne Scherenschnitte aus dem Film zu fallen. Zahlreiche mit Musik untermalte Montagesequenzen geben der dichten Erzählung zusätzlich Luft. BERLIN EXCELSIOR hat die Jury als lebhaftes und pointiertes Dokument deutschen Alltags nachhaltig beeindruckt.