Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
Faszinierend wie die Stadt ist auch der Film, alleine die Materialbewältigung staunenswert, die Schnittgestaltung herausragend, ebenso die Kamera. Vieles läßt sich einwenden gegen diesen Film, so wie gegen jede Stadt, schon gar wenn sie so im Umbruch ist wie die alt-neue Hauptstadt. Wie Berlin ist auch dieser essayistische Dokumentarfilm eine offene Baustelle, wuchert er überbordend wie sein Gegenstand. Geordnete Sachinformationen sucht man vergebens, dafür gibt es überraschende Einblicke und Momentaufnahmen zuhauf. Durchaus in der Tradition der großen Essayfilme „Koyaanisqatsi“ oder „Berlin - Die Sinfonie der Großstadt“ ist dies eine Reise in die Körperwelt einer sich umwälzenden Großstadt. Die Metapher vom Babylon ist wahrlich nicht weit gegriffen, auch Walter Benjamins „Engel der Geschichte“ hat hier seinen unwirtlichen Ort. Scheinbar Disparates wird verknüpft, es gibt freien Blick für Übersichtstotalen und eine Aufmerksamkeit auch für kleinstes Mienenspiel, etwa bei einem düpierten Architekten. Ganz unterschiedliche Protagonisten kommen zu Wort oder werden ins Bild gerückt. Alleine als Soziogramm der Hauptstadtarchitekten oder Studie von Bauherrn und Politikern wäre der Film bemerkenswert, aber er zeigt auch Poliere und Eisenflechter, Zimmerleute und Unterwasserbetonierer. Zeigt Arbeit und Feiern, Spatenstiche und Grundsteinlegungen, Richtfeste und Sprengungen, Abriß und Aufbau, Planung und Realität, Baulücken und Größenwahn, Modelle und Baudetails. Der Film schweift über die Hackeschen Höfe, das Regierungsviertel, den Lehrter Bahnhof und den Potsdamer Platz, über den Reichstag und kleine Mehrfamilienhäuser. Es gibt Zeitschnitte durch Großbaustellen, die Eröffnungsfeier Potsdamer Platz im Zeitraffer und viele viele viele kleine Details. Nahaufnahmen aus Babylon. Heute. Wer kann da noch den Überblick haben?
