Berlin Alexanderplatz

Kinostart: 16.07.20
2020
Filmplakat: Berlin Alexanderplatz

FBW-Pressetext

Die Neuverfilmung von Alfred Döblins literarischem Klassiker erzählt die Geschichte des jungen Geflüchteten Francis, der nach Berlin kommt, um dort ein neues Leben in Würde zu beginnen. Als er sich aber mit dem Kriminellen Reinhold einlässt, gerät er schnell in einen Strudel aus Verbrechen und Gewalt.

Francis will ein guter Mensch sein. Doch die Welt lässt es nicht zu. Das muss der junge Mann, der als Geflüchteter übers Meer kommt und in Deutschland eine neue Heimat sucht, schnell erkennen. Von der Gesellschaft als illegaler Mensch zweiter Klasse ausgestoßen, gerät Francis schon bald auf die schiefe Bahn, als er von dem Kriminellen Reinhold zum Drogenverkauf angeheuert wird. Francis macht Karriere auf der Straße. Dann lernt er die Prostituierte Mieze kennen und verliebt sich in sie. Als Mieze schwanger wird, beschließt Francis, anständig zu werden. Er will weg von den Drogengeschäften, weg von Reinhold. Er will ein guter Mensch sein. Doch erneut lässt die Welt es nicht zu. Die 183 Minuten von BERLIN ALEXANDERPLATZ, dem neuen Film von Burhan Qurbani, sind höchste Filmkunst in allen Belangen. Durch die brillante Kameraarbeit von Yoshi Heimrath, einem perfekt abgestimmten Farb- und Soundkonzept sowie einer Erzählung, die der literarischen Vorlage von Alfred Döblin immer huldigt und sie mit eigener, starker Botschaft ins Hier und Jetzt katapultiert, entwickelt dieser Film eine Komplexität und einen Sog, dem man nicht entfliehen kann und will. Die Konflikte, die Qurbani zusammen mit dem Drehbuchautoren Martin Behnke aufgreift und verhandelt, könnten aktueller nicht sein. Und dass der Film hier so unmittelbar wirkt, macht sein starkes Plädoyer gegen die Ausgrenzung und für ein Miteinander eindrucksvoll deutlich. Trotz seiner Härte wirkt BERLIN ALEXANDERPLATZ jedoch nicht wie ein hartes Sozialdrama, sondern hat auch etwas Mythisches und sogar Träumerisches. Die darstellerische Kraft der Schauspieler*innen steht der Wucht der Geschichte in nichts nach. Jella Haase als „heilige Hure“ und Welket Bungué als sensibler Francis, der am Anfang des Films aus dem rot erleuchteten Wasser in ein neues Leben geht und an der Unmöglichkeit eines ganz normalen Lebens in einer feindseligen Gesellschaft scheitert, sind großartig. Und Albrecht Schuch gelingt mit seiner nuancierten und kraftvollen Interpretation des Reinhold eine weitere beeindruckende Schauspielleistung. Die Ambivalenz des Bösen und Gebrochenen, des Manipulativen und Sehnsüchtigen hat man selten so auf der Leinwand gesehen. BERLIN ALEXANDERPLATZ ist ein mahnendes Drama über das, was in unserer Zeit und Gesellschaft geschieht. Er schafft einen eigenen Kosmos und ist doch eine sinngetreue Umsetzung der großen literarischen Vorlage. Ein packendes filmisches Meisterwerk.

Filminfos

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Burhan Qurbani traut sich hier etwas. In BERLIN ALEXANDERPLATZ verpflanzt er Alfred Döblins monumentalen Roman aus dem Jahr 1929 in die heutige Zeit. Aus Franz Biberkopf wird der Afrikaner Francis B., der einer der vielen Migranten ist, die illegal nach Deutschland kommen und ohne Papiere jede Arbeit annehmen müssen. Durch die Freundschaft mit dem Drogenhändler Reinhold macht Francis Karriere in der Berliner Unterwelt, doch dessen Todessehnsucht lässt auch ihn tief fallen. Qurbani inszeniert auf einer Ebene so zeitgenössisch, packend und spannend wie bei einem Genrefilm, erinnert aber auch immer wieder an die Vorlage, indem er etwa literarische Stilmittel verwendet wie die Einteilung in Kapitel, Pro- und Epilog sowie Originalzitate aus dem Buch, die die Erzählstimme von Mietze, der Freundin von Francis, wie einen inneren Monolog spricht. Sein Film überzeugt durch seine vitale und originelle Inszenierung. Mit einem sozialrealistischen Blick werden die verschiedenen Milieus, in denen Francis sich bewegt, authentisch präsentiert, und dabei muss auch die Auswahl der Berliner Originaldrehorte gelobt werden. In dieser Welt der Flüchtlingsheime, der illegalen Arbeit auf Baustellen, des Drogenverkaufs im Volkspark Hasenheide, von Prostitution und Raubüberfällen entfaltet Qurbani in drei Stunden, die erstaunlich kurz wirken, eine fesselnde Geschichte. In dieser schwört Francis zum Beginn des Films, ein guter Mensch zu werden, und wird doch immer tiefer in die Machenschaften seines vermeintlichen Freundes Reinhold hineingezogen. Francis ist dabei ein stoischer Held, und Welket Bungué spielt ihn mit einer sehr körperlichen, intensiven Präsenz. Sein Antagonist Reinhard ist in allem, sowohl körperlich wie auch geistig, das denkbar größte Gegenteil von ihm, und Albrecht Schuch spielt ihn dann auch in einer inspirierten Darstellung als einen verwachsenen Menschen mit sanfter und doch bedrohlicher Stimme – und somit auch als einen grotesken, psychopathologischen Zerstörer. Auch mit Jella Haase in der Rolle der Mieze und Joachim Król als alterndem Gangsterboss zeigt Qurbani, dass er eine gute Hand für die Besetzung hat. Der Film überzeugt durch die souveräne Verwendung der vielen verschiedenen stilistischen Mittel (so beginnt er etwa buchstäblich auf dem Kopf stehend) und seinen langen epischen Atem. Qurbani hat sich Döblins Stoff kühn zu eigen gemacht, und ist gerade deshalb dem Geist des Romans treu geblieben.