Augen zu
FBW-Pressetext
Lilith und Medea sind Schwestern. Und sie streiten um alles - gerade im Moment um die Fernbedienung für den Fernseher. Natürlich will keine der beiden nachgeben. Auch die Mutter, die gerade von ihrer Spätschicht nach Hause gekommen ist, kann den Streit nicht schlichten. Und so geht die Auseinandersetzung weiter, bis zum Zähneputzen vor dem Schlafengehen. Dann eskaliert die Situation. Und Medea als die ältere Schwester trifft eine Entscheidung. Um eine konstante Spannung zu erzeugen und zu halten, benötigt die Filmemacherin Victoria Koberstein in ihrem Film AUGEN ZU keine großen Dialoge. Mit genauem Fingerspitzengefühl für den szenischen Aufbau inszeniert sie einen Konflikt zwischen Dramatik, Eskalation und dem Eindruck, es handele sich hier einfach um Alltag. Medea und Lilith Suker spielen die Rollen der Schwestern nicht nur aufgrund der realen Verwandtschaftsverhältnisse absolut glaubhaft. Durch ihre intensiven Blicke und Gesten, eine exzellente Kameraarbeit und die kluge Montage wird man als Zuschauer in diesen Schwesternkonflikt vollkommen hineingezogen. Ein eindringliches Miniatur-Kammerspiel in Kurzfilmform.Filminfos
Gattung: | Drama; Kurzfilm |
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Regie: | Victoria Koberstein |
Darsteller: | Astrid Meier; Medea Suker; Lilith Suker |
Drehbuch: | Victoria Koberstein |
Kamera: | Makito Kumazawa |
Schnitt: | Victoria Koberstein |
Musik: | Luca Alessandro Hettling |
Webseite: | steinwarm.de; |
Länge: | 9 Minuten |
Produktion: | STEINWARM Filmproduktion Victoria Koberstein |
Förderer: | HessenFilm und Medien |
Jury-Begründung
Zwei kleine Kinder, die eine 7, die andere 10 Jahre alt, sind allein zu Haus, im Fernseher läuft ein Boxkampf. Das Spiel wird zum Streit, die Kinder werden handgreiflich, eines stürzt und schlägt sich den Kopf an. Als die Mutter nach Hause kommt, versucht sie zu schlichten, doch gelingen tut es ihr nicht, sie schlägt einer ihrer Töchter ins Gesicht. Die Auseinandersetzung der Töchter geht im Bad weiter, fast passiert etwas ganz Schlimmes, die Mutter bekommt es aber nicht mit. Am Ende werden die Kinder von der Mutter zu Bett gebracht, was da genau passiert ist, behalten die Mädchen für sich, alles scheint wieder friedlich - aber für wie lange?Mit dem Titel "Augen zu" ist natürlich einerseits der Schlaf gemeint, andererseits die Art und Weise wie hier die Augen vor einem Problem verschlossen werden, der völligen Überforderung der Mutter und der fehlenden Betreuung der Kinder. Was wir in der Kameraarbeit und der Montage auf sehr intensive Weise und von einer überzeugenden Regieleistung getragen gezeigt bekommen, könnte pars pro toto für zahlreiche Situationen stehen, die diese Familie abends erlebt, wenn die Mutter spät von der Arbeit nach Hause kommt. Wo der Vater ist und was er macht, wird ausgeklammert, gewiss absichtlich, aber dadurch entsteht eine Leerstelle, denn man vermutet eher, dass die Mutter alleinerziehend ist. Schon in der Anfangssequenz findet die Regisseurin Victoria Koberstein ein gelungenes Bild, wenn die Aggression des im Fernsehen gezeigten Boxkampfes sich auf die Grundstimmung der Kinder überträgt – so scheint die Gewalt unkontrolliert in das Zuhause der Familie ‚einzuziehen‘.
Dass der Film Ende der 1990er Jahren spielen soll, irritierte die Jury etwas, weil sie das Set-Design ein Jahrzehnt früher datiert hätte. Andererseits konnte die Regisseurin offenbar auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Es stellt sich auch die Frage, warum das dargestellte Problem, das in unserer Gegenwart ja nicht behoben ist, aus der Perspektive der 1990er Jahre gezeigt wird. Die Jury zeigte sich beeindruckt durch den effizienten Einsatz der wenigen Dialoge. Erzählt wird eine Geschichte der unterdrückten Konflikte, die sich in Blicken und Gesten ausdrücken, aber kaum den Raum für Worte lassen. Die Intensität dieses bedrückenden Sozialdramas, das von spielfreudigen Kinderdarstellerinnen geprägt wird, hat nach Ansicht der Jury in Abwägung aller dargebrachten Argumente in jedem Fall das Prädikat wertvoll verdient.