Antigone

VÖ-Datum: 22.11.19
2019
Filmplakat: Antigone

FBW-Pressetext

Mit ihrer modernen Adaption der griechischen Tragödie ANTIGONE bereiten Regisseur Sven Schütze und Bodo Wartke, zusammen mit Bühnenpartnerin Melanie Haupt, den klassischen Stoff von Sophokles für ein heutiges junges Publikum auf. Ein Zwei-Personen-Stück über die Wichtigkeit des zivilen Ungehorsams.

Nach dem Tod des Ödipus vereinbaren dessen Söhne Polyneikes und Eteokles, sich die Macht in Theben zu teilen, indem sie abwechselnd regieren. Doch Eteokles hält sich nicht an die Abmachung – es kommt zum Krieg. Die Brüder töten sich gegenseitig. Nur Eteokles wird eine Bestattung zuteil, Polyneikes darf nicht begraben werden. Antigone, die Schwester der beiden, sieht darin ein Unrecht gegen die Götter. Sie will ihren Bruder begraben. Ein „Verbrechen“, für das ihr Onkel sie zur Rechenschaft ziehen will. Die Figur der Antigone findet sich in der klassischen Version in der gleichnamigen Tragödie des griechischen Dramatikers Sophokles wieder. Eine erste Aufführung fand im fünften Jahrhundert vor Christus statt, und noch heute gehört die griechische Tragödie zum Schulkanon. Doch wie kann man die komplexe Geschichte in ihrer komplizierten Sprache auch heute noch für ein Publikum interessant aufbereiten? Mit ANTIGONE ist der Dramaturgin Carmen Kalisch, dem Regisseur Sven Schütze, dem Künstler Bodo Wartke und seiner Bühnenpartnerin Melanie Haupt genau das gelungen. In einem Zwei-Personen-Stück spielen Haupt und Wartke sämtliche Rollen des Stückes selbst. Die Sprache des Textes ist modernisiert, einzelne Passagen werden gesungen, sogar gerappt, es gibt zahlreiche popkulturelle Anspielungen und auch filmisch wird auf kluge Weise mit der Montage, mit Dopplungen, mit Licht und Kameraführung gearbeitet, sodass der Zuschauer gleichzeitig das Gefühl hat, einer Live-Performance beizuwohnen, aber auch in ein Gesamtkunstwerk eintauchen kann. Haupt und Wartke liefern eine künstlerische Tour-de-Force und tragen das Stück über seine gesamte Länge. Und wenn am Schluss das letzte Lied erklingt, erkennt man spätestens die Aktualität, die auch heute noch in ANTIGONE steckt. Und die Botschaft, die den zivilen Ungehorsam zur Pflicht erklärt und dazu aufruft, sich gegen Ungerechtigkeiten zur Wehr zu setzen. ANTIGONE von und mit Bodo Wartke ist ein überaus gelungenes Experiment, die Kunst der Bühne auf Film festzuhalten. Zum Immer-Wieder-Entdecken.
Prädikat besonders wertvoll

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Filminfos

Gattung:Drama
Regie:Sven Schütze; Michael Vogelmann
Darsteller:Bodo Wartke; Melanie Haupt
Drehbuch:Sven Schütze; Bodo Wartke; Carmen Kalisch
Kamera:Frank Meyer
Schnitt:Michael Vogelmann; Sven Schütze
Musik:Bodo Wartke
Länge:131 Minuten
VÖ-Datum:22.11.2019
Produktion: Reimkultur GmbH & Co. KG
FSK:6

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Die FBW-Jury hat dem Film das Prädikat besonders wertvoll verliehen.

Bereits zum zweiten Mal nach seiner Bearbeitung des Ödipus-Stoffes hat sich der Klavierkabarettist Bodo Wartke einer klassischen griechischen Tragödie angenommen und diese auf moderne Weise umgesetzt. Das Ergebnis ist weniger ein Film im herkömmlichen Sinne, sondern vielmehr abgefilmtes und nachbearbeitetes (Kleinkunst)-Theater, das sich vor allem an die Fans des Künstlers richtet, die diesen Film als DVD für das Heimkino erwerben können.

Bodo Wartkes Adaption der antiken Tragödie von Sophokles im betont leichten Gewand einer Musikkomödie überzeugt durch die darstellerischen und gesanglichen Leistungen von Wartke und seiner Bühnenpartnerin Melanie Haupt, die hier über zwei Stunden lang alles geben. Ob einem die Art und Weise der Umsetzung und der betont flapsige, zuweilen fast respektlose Umgang mit der Vorlage gefällt, ist hingegen reine Geschmackssache, könnte aber vermutlich eher weniger klassikeraffine Schichten und Altersgruppen ansprechen. Gerade hierin und im vermuteten Potenzial zum Einsatz an Schulen und ähnlichen Einrichtungen sah die Jury eine der großen Stärken der erstaunlich munteren und unterhaltsamen Inszenierung, die die rund zwei Stunden Laufzeit erstaunlich leichtfüßig über die Bühne brachte.

Zwar bemüht sich die Bildregie, die Kamera und der Schnitt sichtlich darum, den sehr begrenzten Bühnenraum und das mit zwei Darsteller_innen knapp besetzte Stück visuell aufzupeppen, dennoch ist und bleibt Bodo Wartkes Antigone-Adaption vor allem abgefilmtes Kleinkunst-Theater, das den angekündigten tagesaktuellen Bezug immer wieder kurz aufblitzen lässt, um ihn dann schlussendlich erst mit dem Abspann und den dort genannten Beispielen für Zivilcourage einzulösen. Die zuvor eingebauten Querverweise auf die Pflicht zum Widerstand drohen in der Flut der Songs und Wortspielereien schlichtweg unterzugehen und erfordern sehr genaues und konzentriertes Zusehen und Zuhören

Manche künstlerischen Entscheidungen wie etwa die nachträglich in der Postproduktion vorgenommene Vervielfältigung der Figuren ist eindrucksvoll umgesetzt und durchbricht zugleich die Unmittelbarkeit der Bühnensituation, so dass Antigone in diesen Momenten sich von der konkreten Theatersituation löst und einen ganz eigenständigen Charakter entwickelt.

Nach langer Diskussion entschloss sich die Jury der FBW mit 3:2 Stimmen für die Vergabe des Prädikats „besonders wertvoll“.