Another German Tank Story
FBW-Pressetext
Ein verlassenes Dorf im Osten Deutschlands wird zum Drehort für eine Kriegsserie aus Hollywood. Skurriler, trockener Humor, eine authentische Bildsprache und liebevoll verschrobene Figuren machen das Langfilmdebüt von Jannis Alexander Kiefer zu einem Highlight des jungen deutschen Films.Susanne ist Bürgermeisterin in Wiesenwalde, einem kleinen Ort in Ostdeutschland. Susanne weiß, dass das Leben an Wiesenwalde eher vorbeizieht. Doch dank ihres Engagements wird nun auf einmal mitten im Dorf eine Hollywood-Kriegsserie gedreht. Mit Panzern, Uniformen und allem drumherum. Das wird ihr Dorf wieder nach vorne bringen, da ist sich Susanne sicher. Doch Hollywood und Dorfklause – ob das zusammenpasst?
Ein langsam aussterbender Ort, wortkarge Menschen, die in lakonischer Gleichgültigkeit durchs Leben gehen und die große weite Filmwelt als Fremdkörper: So etwas authentisch zu erzählen und zu inszenieren, ist eine Kunst, die der Regisseur Jannis Alexander Kiefer und seine Co-Autorin Theresa Weininger aufs Beste beherrschen. Die Figuren leben innerhalb eines Ortes, der seit des Besuches des berühmten Komponisten Telemann vor 300 Jahren von diesem Mythos zehrt. Die Kamera zeigt die zerfallenen leerstehenden Häuser, die maroden Straßen, den Bahnhof, an dem der Zug, wenn überhaupt, einmal am Tag hält. Und doch ist ANOTHER GERMAN TANK STORY kein depressiver, sondern ein lakonisch-unterhaltsamer und skurril-warmherziger Film. Das liegt auch an den liebevollen Figuren und dem großartigen Ensemble, in dem jede Haupt- und Nebenrolle perfekt besetzt ist. Johannes Scheidweiler spielt mit zarter Verletztlichkeit Tobi, Susannes Sohn, der als Fahrer für die Filmcrew vor allem davor Angst hat, dass jemand herausfinden könnte, dass er gar keinen Führerschein hat. Monika Lennartz sorgt als Rosi für ehrlich rührende und gleichzeitig amüsante Momente, wenn sie sich aufopferungsvoll um ihren kranken Mann kümmert und alles daran setzt, das gemeinsame Vermächtnis sauber zu hinterlassen. Das nicht aufgebenwollende Herz der Gemeinde ist Susanne, die Meike Droste so liebenswert engagiert und pragmatisch spielt, dass man als Publikum allein aus dieser Figur ganz viel Hoffnung ziehen kann. ANOTHER GERMAN TANK STORY ist herrlich trockenhumorig, ein Film mit skurrilen Bildeinfällen, einer auf den Punkt genauen Ausstattung, grandiosen Dialogen, einer klugen Erzähldramaturgie und einem kongenialen Telemann-Klassik-Score. Und darüber hinaus eine warmherzige Milieustudie eines Dorfes, das das Beste aus dem macht, was das Leben ihm gerade so vor die Füße legt. Oder eben auch rollt.
Filminfos
Gattung: | Spielfilm; Tragikomödie |
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Regie: | Jannis Alexander Kiefer |
Darsteller: | Johannes Scheidweiler; Meike Droste; Monika Lennartz; Roland Bonjour; Gisa Flake; Alexander Schuster; u.v.a. |
Drehbuch: | Jannis Alexander Kiefer; Theresa Weininger |
Kamera: | Adam Graf |
Schnitt: | Kathrin Unger |
Musik: | Fabian Zeidler |
Webseite: | filmperlen.com; |
Länge: | 96 Minuten |
Kinostart: | 10.04.2025 |
Verleih: | Filmperlen |
Produktion: | Maze Pictures GmbH, Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf; Jannis Alexander Kiefer Produktion; RBB - Rundfunk Berlin Brandenburg; |
FSK: | 0 |
Förderer: | BKM; MBB |
Jury-Begründung
In Wiesenwalde, einem Dorf in der ostdeutschen Provinz, scheint die stillgestandene Zeit ihre Bewohnerinnen und Bewohner fest im Griff zu haben. Zwischen der wundersamen Heilung des Barock-Komponisten Georg Philipp Telemann 1725 durch das Wasser aus dem Dorfbrunnen und der Heuschrecke Hollywood in den 2020er Jahren, die hier im Dorf hinter einer großen Mauer die Zelte aufgeschlagen hat, versucht die Dorfgemeinschaft ihrem Heimatort Stabilität und neue Hoffnung auf touristische Entdeckung zu geben. ANOTHER GERMAN TANK STORY vereint auf diesem Tableau ein kleines schillerndes Panoptikum an Figuren. Susanne Pauli, die erst kürzlich gewählte Bürgermeisterin, ihre grummelnde Mutter mit einigen verborgenen Talenten im Ruhestand, Jenny, die Wirtin der einzigen Dorfgaststätte und Rosi, die alte „Grande Dame“ des Ortes, deren soeben verstorbener Mann im Hobbykeller des gemeinsamen Hauses im Sessel wie aufgebahrt auf Rosi zu warten scheint, bilden das Epizentrum der Dorfgemeinschaft und trotzen tapfer der Tristesse. Der gescheiterte, vor 20 Jahren dem Dorfleben entflohene und nun zurückkehrende Bert, Tobi, der gerade 20jährige Sohn der Bürgermeisterin, der wegen der nicht bestandenen Fahrprüfung ohne Führerschein als Set-Driver die Filmlimousine mit niemals mehr als Schritttempo durch das Dorf bewegt und Wolffi, bester Freund Tobis und frisch gecasteter Statist, verbinden mehr oder weniger mit der im Dorf gestrandeten Hollywoodproduktion ihre neue Lebensaufgabe. Das gesamte Dorf hofft, dass die Filmleute, die auf einem streng bewachten Gelände eine Serie über den Zweiten Weltkrieg drehen, neuen Schwung und Geld in das abgelegen Dorf spülen. Ein Stromausfall, zwei Panzer oder auch ein weißes Kaninchen sind nur einige erzählerische Zutaten einer fein gesponnenen Tragikomödie, die ihre lakonische Erzählspur konsequent durchhält und dennoch an Intensität und Tiefe der Figuren keine Wünsche offenlässt.Dieser wunderbare Debütfilm von Jannis Alexander Kiefer ist, so die Jury in ihrer Diskussion, leichtfüßig erzählte Sozialkomödie, aber auch Sozialsatire mit dazugehöriger Sozialkritik. Mit ANOTHER GERMAN TANK STORY liegt ein Film vor, der in allen Gewerken leuchtet. Die Jury lobt das herausragende Drehbuch, das nur wenige Striche benötigt. Die lakonischen Dialoge setzen der Skurrilität auf der Bildebene gut beobachtete Lebensrealität entgegen und halten das Figurenensemble immer in Bewegung. Die Schicksale der Figuren und ihre Geschichten entstehen dabei im gemeinsamen Spiel, bei dem alle Darstellerinnen und Darsteller große Spielfreude an den Tag legen. Die Bildideen sind überzeugend übersprühend. Es regnet viel in Wiesenwalde. Symptomatisch fährt sehr selten am Tag nur eingleisig ein Zug durch. Auch wenn die Story immer mal wieder überbordet, bleibt die Geschichte in ihrer erzählten Realität glaubhaft. Alle Dinge, die sich ereignen, werden in kleinen Momenten großartig vorbereitet und sind plausibel. Der Regisseur weist sich nicht nur als Kenner des erzählten Milieus aus. Mit großer Sicherheit führt er sein Ensemble durch die Unbilden der Ereignisse. Die Metaebene zum Filmgeschäft ist nie aufgesetzt, sondern fein ziseliert erzählt. Miniaturen wie ein Cast im Hinterhof für die Statisterie, eine maßgeschneiderte Wehrmachtsuniform für Wolffi, den neuen Helden im Dorfkosmos, Jojo, das Lichtdouble des Hauptdarsteller, der ob seiner Ähnlichkeit für den Star selbst gehalten wird und der strenge Security-Mann am Tor zur Filmproduktion sind Transformationsriemen dieser Metaebene.
Bei aller Skurrilität, so die Jury, verraten Drehbuch und Regie niemals ihre Figuren, sondern geben ihnen auch im Scheitern eine beeindruckende Würde. Die Jury befindet, damit erzählt ANOTHER GERMAN TANK STORY an diesem Dorf auch ein Stück deutsche Geschichte. Jannis Alexander Kiefer hat dafür seine eigene Tonalität gefunden, die an die Filme von Aki Kaurismäki erinnert.
Das Setdesign und die Kostüme sind auserlesen. Die Jury lobt die wunderbare Detailtreue, die den feinen Humor von Bildern und Dialogen in das Setting trägt. Die Tonebene begleitet die Bilder stimmig. Der Schnitt ist miterzählendes Element und navigiert sicher und durch die dicht erzählte Geschichte. Eine großartige Kamera fängt kleinste Nuancen an den Schauplätzen ein.
Vor allem gefiel der Jury, dass hier ein starker Frauenort erzählt wird. Jenny, die resolute Wirtin, wird von Gisa Flake mit aller Chuzpe als Energiezentrum aufgebaut. Meike Droste gibt der Bürgermeisterin Susanne die notwendige meditative Anmutung, die es in den Notlagen braucht. Besonders beeindruckt zeigt sich die Jury von der wunderbaren Monika Lennartz als Rosi, der das Drehbuch eindrucksvolle Momente schenkt. Das großartig orchestrierte Finale aller Handlungsfäden bleibt eng an der beobachteten Realität in vielen Dörfern, die wie in einem Brennglas offeriert wird. Am Ende, so die Jury, überwiegen hoffnungsstiftend die menschlichen Momente in dieser ganzen Tristesse.
Und wenn man weiß, dass im amerikanischen Englisch Tank nicht nur das Wort für Panzer sondern auch für den Glasbehälter als Lebensraum für Fische im „betreuten Wohnen“ ist, erhalten Szenen vielfache Bedeutung. ANOTHER GERMAN TANK STORY löst mit allem, was aufgeboten wird, den Filmtitel ein. Die Jury wünscht dieser Perle des jungen deutschen Kinos ein großes, begeistertes Publikum und vergibt sehr gern das Prädikat „besonders wertvoll“.