Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
In ihrem Kurzdokumentarfilm ALTURAS führt uns Roxana Reiss in ein kleines Dorf mitten in den Anden Perus, wo Elisa Taboada mit ihrer Familie lebt und sich als erste Frau überhaupt für den Gemeinderat zur Wahl stellt. Auf faszinierende Art und Weise gelingt es dem Film in 30 Minuten, tiefe Einblicke zu geben in den Alltag sowie in den gesellschaftlich-politischen Kontext der Protagonist*innen. Ohne Themen wie Emanzipation oder Selbstbestimmung demonstrativ vor sich herzutragen, lässt uns der Film auf ausgesprochen feine Art und Weise die vorgefundene Welt und die Motivationen der Protagonist*innen verstehen. Wir sehen Hände, die alltäglicher Arbeit nachgehen, Gesichter, die ganz bei sich den Moment reflektieren, Kinder beim Spielen, Feuer in Öfen – jedes Detail fügt sich behutsam zu einem Bild zusammen, immer wieder kontrastierend mit den Totalen der kargen Berglandschaft. In der Poesie der Bildgestaltung sowie der Körnung des 16mm-Materials manifestiert sich die Sinnlichkeit, mit der dieser Film seinen Erzählbogen spannt, und die Empathie, mit der er Lebenswirklichkeiten umsetzt. Dramaturgisch so dicht montiert, als verfolgten wir den Verlauf nur eines Tages im Leben der Elisa Taboada, vermittelt ALTURAS gleichzeitig Nähe und Distanz. Wir sind in einem Moment ganz dicht am Alltag und dann respektvoll auf Abstand in einem anderen bemerkenswerten Moment, in dem die Frauen sich über ihre gewalttätigen Ehemänner austauschen, wir auf der Bildebene aber die Sprechenden nicht sehen. Aus seinen unaufdringlichen, leisen Stilmitteln entwickelt ALTURAS eine enorm kraftvolle Wirkung und eine ganz eigene tiefreichende Schönheit.