Alle Juden raus!

Filmplakat: Alle Juden raus!

Kurzbeschreibung

Engagierte und bewegende Dokumentation eines jüdischen Familienschicksals aus Göppingen.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm
Regie:Emanuel Rund
Kamera:Emanuel Rund
Schnitt:Annette Dorn
Musik:Giora Feidman
Länge:85 Minuten
Verleih:Basis Filmverleih
Produktion: Seybold, Katrin, Film GmbH

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Fünfzig Jahre nach Theresienstadt ergaben sich, so seltsam es klingen mag, in der württembergischen Stadt Göttingen günstigere Bedingungen für eine filmische Aufarbeitung der Judenverfolgung als in früheren Jahrzehnten. Diese Voraussetzungen wurden durch den Besuch einiger jetzt im Ausland lebender emigrierter Frauen geschaffen und dadurch, dass sich endlich auch deutsche Augenzeugen bereit fanden, ihre Erlebnisse preiszugeben. Der Regisseur, selbst Kind deutscher Juden, hat es verstanden, seinen Gesprächspartnern präzise Berichte abzufordern, und da er auf jeden eigenen Off-Kommentar verzichtete, gelang ihm ein filmisches Zeitbild von beeindruckender Geschlossenheit, vielleicht die historisch letzte Gelegenheit das thema so authentisch zu bewältigen. Der Film erschüttert durch die Unmittelbarkeit seiner Aussagen und besticht zugleich durch die sachliche Objektivität, die seiner Glaubwürdigkeit dient.

Den Höhepunkt erreich das Dokument, wenn die Erinnerung einer ehemaligen Telefonistin aus Theresienstadt, die den berüchtigten Eichmann als bescheiden und freundlichen Herrn (man nimmt ihr diese Feststellung nicht einmal übel) kennengelernt hat, konfrontiert wird mit dem Bericht einer Überlebenden, für die das KZ natürlich die Hölle war. Da wird die Entsetzlichkeit des Schauplatzes gleichsam noch einmal lebendig. Und zugleich berührt die durch zeitlichen Abstand erreichte Abgeklärtheit: Verständnis, aber nicht Vergebung beim Opfer, Einsicht, aber auch kein Vergessen bei den Augenzeugen.

Spürbar und fast nachvollziehbar beim Zuschauer wird hier, was andere Filme dieses Genres nur selten so deutlich machen: die stufenweise Entwürdigung der Verfolgten bis zur Vernichtung, aber auch das schrittweise Hineingleiten der Verführten in schuldhafte Verstrickung.

Ob es richtig war, junge menschen, Schüler aus Göppingen, vor der kamera zu Interview-Partnern der zeitzeugen zu machen, darüber diskutierte der Bewertungsausschuss lange. Sie sind vielleicht schon oder noch zu weit weg von dieser Vergangenheit, um glaubwürdig nach der historischen Wahrheit suchen zu können, ihre eingelernt wirkenden Fragen bestätigen es. Andererseits bilden sie einen wichtigen Ausgleich und Kontrast zu den Protagonisten, die somit nicht gezwungen sind, ihre Argumente in Zwiegesprächen aufzuspalten, sondern sie in geschlossenen Statements gedanklich abrunden können. Die Einblendung alter Amatuer-Aufnahmen aus dem jüdischen Familien-Milieu in der früheren deutschen Heimat unterstreicht die Aussagekraft des Dokuments.