Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
Eine Geschichte, von der niemand mehr genau sagen kann, ob sie wahr ist, also eine Legende wird hier auf der Tonebene von einer Vielzahl von Stimmen nacherzählt. Eine Frau soll in den 1940er Jahren von einem deutschen Soldaten vergewaltigt worden sein und als sie herausfand, dass er sie mit Syphilis angesteckt hat, soll sie aus Rache andere Soldaten verführt und so die Krankheit unter ihnen verbreitet haben. Die Gespräche wurden mit heutigen Bewohnerinnen und Bewohnern des tschechischen Ortes, in dem dies passiert sein soll, geführt und jede Stimme fügt ein neues Detail oder einen andere Bewertung zu der kollektiv erzählten Geschichte hinzu. Auf der Bildebene haben die beiden Regisseurinnen Anna Benner und Eluned Zoe Aiano Filmaufnahmen vom Körper und verschiedenen Bewegungen der Darstellerin Lioba Grunow gemacht, die sie dann im Rotoskopie-Verfahren mit der Hand gezeichnet animiert haben. Diese Bilder zeigen die junge Frau zuerst bei alltäglichen Arbeiten, dann den Bruch, nach dem sie ihre Verwundungen in ihrem Intimbereich zeigt und körperlich wie zerstört wirkt. Für ihren Rachefeldzug macht sie sich wieder schön und nutzt dabei ihre Attraktivität wie eine Waffe. Ihre Opfer werden durch Fische symbolisiert, die sie in der Küche ausnimmt. Die Animation ist zugleich stilisiert und sehr körperlich und diese Bilder von der namenlos bleibenden Protagonistin wirken wie ein Beleg für den Wahrheitsgehalt der Legende. Dabei scheint es Benner und Aiano überhaupt nicht zu interessieren, ob die Geschichte nun wahr ist oder nicht. Sie arbeiten geschickt mit Entsprechungen, Reibungen und Widersprüchen zwischen den Interviewfragmenten und ihren Bildern. Dabei bleiben sie stets sachlich Und so ist ihnen ein klug durchdachtes und stilistisch konsequentes Filmkunstwerk gelungen, das mit dem höchsten Prädikat ausgezeichnet wird.