Affenmädchen

Filmplakat: Affenmädchen

FBW-Pressetext

Alva spielt gerne mit den Jungs. Die sind zwar oft gemein zu ihr und nehmen sie gar nicht ernst, wenn sie was sagt – aber immer noch besser als diese oberflächlichen Tussis, die sich nur für Mode interessieren und im Fernsehen dem Bachelor bei der Rosenvergabe zuschauen. Doch irgendwie war früher noch alles leichter. Da hat sie einfach mit den Jungs gespielt und es war nichts dabei. Aber auf einmal scheint es den Jungs total wichtig zu sein, dass sie eben „nur ein Mädchen“ ist. Und Alva stellt sich die Frage: Warum ist es denn überhaupt wichtig, ob man Junge oder Mädchen ist? Die Filmemacherin Isabelle Caps-Kuhn zeigt mit ihrem Kurzspielfilm AFFENMÄDCHEN ein sehr genaues Gespür für ihre kindlichen Protagonist*innen und das Setting und Milieu einer Hochhaussiedlung mit angrenzendem verwildertem Wald, in dem sie sich bewegen. Vor allem Matilda Jork als Alva ist in ihrer Natürlichkeit und Wildheit absolut authentisch und die Kamera von Christoph Bockisch fängt sie wunderbar ein, wie sie durch die Gegend streift und zusammen mit der Jungs-Gang Sachen unternimmt. Die Dialoge wirken ebenso unverkrampft und die Themen, die besprochen werden, holen ein kindliches Publikum in ihrer Lebensrealität ab. Klug blendet der Film sämtliche Erwachsenenrollen aus und überlässt den Kindern alle Handlungsmotivation. Geschlechterklischees werden dabei gezeigt und in Frage gestellt, dabei überzeichnet der Film aber nie, sondern bleibt immer in reflektierter Bodenhaftung. Das ist ehrliches, authentisches und unaufgeregt erzähltes Kurzfilmkino für die junge Zielgruppe.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Kinderfilm; Kurzfilm
Regie:Isabelle Caps-Kuhn
Darsteller:Matilda York; Leo Pérez-Kaltscheuer; Charlotta Rowohlt; Hendrix Warnoch
Drehbuch:Isabelle Caps-Kuhn:
Kamera:Christoph Bockisch
Schnitt:Jana Briesner
Musik:Heiko Schmidt
Länge:24 Minuten
Produktion: Filmakademie Baden-Württemberg GmbH, Filmuniversität KONRAD WOLF;
Förderer:Filmakademie Baden-Württemberg

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Die zehnjährige Alva steht nicht auf Schönheits- und Modetutorials und hat auch keine Lust auf Make-up und hübsche Kleidchen. Alva ist ein „Tomboy“, wie es im Englischen heißt, ein echter Wildfang, der jedem Jungen glatt etwas vormachen kann und das auch tut. Und genau das entwickelt sich eines Tages zum Problem, denn Alva ist es offensichtlich gewohnt, mit den Jungs ihrer Clique zu spielen. Eines Tages aber wollen die sie nicht mehr dabei haben. Doch anstelle zu resignieren, mischt Alva kräftig mit.

In 24 Minuten beschaut Isabelle Caps-Kuhns AFFENMÄDCHEN ein Gesellschafts- wie auch Geschlechterproblem im Brennglas. Mädchen, aber auch Jungen, die sich abseits der gängigen Normen verwirklichen wollen, fallen in ihrer Bezugsgruppe negativ auf. AFFENMÄDCHEN wendet sich mit einem gesellschaftlich äußerst relevanten Thema an ein breites Publikum. Die Jungenclique, mit der Alva immer unterwegs ist, hat sie in ihrer Geschlechtlichkeit erkannt und abgegrenzt. Mehr noch, ihre Freunde machen sich plötzlich über sie als Mädchen lustig. Was im Film am Rande einer Plattenbausiedlung passiert, ist Alltag. Auch wenn sich in den vergangenen Jahrzehnten emanzipatorische Strömungen auch unter Kinder und Jugendlichen durchgesetzt haben, zeigen neuere Studien, dass sich gerade durch den Alltag, der auch von sozialen Netzwerken geprägt ist, eine gegenläufige Bewegung entwickelt.

Alva ist kompromisslose Kämpferin in eigener Sache. Nicht etwa Youtube-Sternchen sind ihre Vorbilder, sondern Abenteurer. Vom medialen Druck befreit, weiß sie für ihre Ideale ein- und aufzustehen, auch wenn das die Auseinandersetzung mit ihren Freunden bedeutet. Isabelle Caps-Kuhns stattet ihre Protagonistin mit einer gehörigen Portion Mut aus und lässt sie als emanzipatorische Heldin im Kampf gegen Rollen-Stereotype auftreten. Und Alva ist es dann auch, die den Jungs zeigt, was Frauen-, bzw. Mädchenpower bedeutet. Matilda Jork verkörpert Alva dabei so überzeugend, dass sich die Jury von Anfang an von der Authentizität ihres Spiels hat begeistern lassen.

Kein einziger Erwachsener läuft durchs Bild, keine Behörde mischt sich ein. AFFENMÄDCHEN erzählt konsequent auf Augenhöhe seiner Protagonistin, auch filmtechnisch. Immer wieder wird die Handkamera genutzt und erklärt auch erwachsenen Zuschauern den Blickwinkel der jungen Protagonistin. AFFENMÄDCHEN wirkt höchst authentisch, bis hin zum Imitieren männlicher Rituale innerhalb der noch nicht einmal pubertierenden Jungengruppe.

Allenfalls die durchgängig vorhandene Retro-Wirkung des Films mag da noch irritieren. Immerhin spielen in AFFENMÄDCHEN Kinder tatsächlich noch draußen und Handy und Computer sind bestenfalls bei Alvas älterer Schwester ein Unterhaltungsfaktor. Die Jury wertete dies, genau wie das nostalgisch getrimmte Colour-Grading, als dramaturgische Einladung an die Zuschauer, diesem genauso wichtigen, wie schwierigen Thema zu folgen. Und das empfand die Jury als durchweg positives Stilmittel. Mit einem gut gewählten Score weiß Regisseurin Isabelle Caps-Kuhns die durchaus notwendigen und daher auch vorhandenen bedrohlichen Momente zu entschärfen, so dass auch jüngere Zuschauer Alvas Einsatz für Gleichberechtigung mit Interesse folgen werden.

Wie sich in der Diskussion gezeigt hat, ist die Jury von Aktualität, Qualität, Wichtigkeit und Wertigkeit des Films vollauf überzeugt, sodass sie ihm gerne das Prädikat „besonders wertvoll“ verleiht.