Treasure

Filmplakat: Treasure

FBW-Pressetext

In der Tragikomödie in der Regie von Julia von Heinz machen sich Ruth und ihr Vater Edek auf, um die Wurzeln der Familie in Polen zu erkunden. Ein berührendes Tochter-Vater-Roadmovie, mit feinem Gespür für die leisen Zwischentöne und einer brillanten Schauspielleistung von Lena Dunham und Stephen Fry.

Kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, Anfang der 1990er Jahre: Die in New York lebende Musik-Journalistin Ruth Rothwax reist mit ihrem Vater Edek in sein Heimatland Polen. Den Wunsch, die familiären Wurzeln zu ergründen, hat Ruth schon lange, doch Edek, der zusammen mit seiner vor einem Jahr verstorbenen Frau den Holocaust überlebt hat, scheint nicht wirklich willens, die Spuren der Vergangenheit aufzuwirbeln. Und während Ruth und Edek zusammen mit dem getreuen Taxifahrer Stefan in Edeks Heimatstadt Lodz herumfahren, zeigt sich immer mehr, wie wenig Ruth über ihren Vater weiß. Und wie wenig auch Edek versteht, was seine Tochter wirklich umtreibt.

In ihrem neuen Film – der Verfilmung der autobiografischen Geschichte „Zu viele Männer“ von Lily Brett - nähert sich Julia von Heinz mit Wärme und großer Ruhe einem sehr sensiblem Thema: der Aufarbeitung der Holocaust-Traumata. Dabei legt von Heinz den Fokus der Geschichte auf die feinen Zwischentöne, ganz besonders in der Beziehung zwischen Vater und Tochter, die wie zwei unvereinbare Gegensätze wirken. Die eine – Ruth - planmäßig strukturiert, barsch, in sich gekehrt. Der andere – Edek - ein lebensfroher Filou, der hinter seiner Fassade den Schmerz über das Erlebte versteckt und verdrängt. Lena Dunham und Stephen Fry sind kongeniale Spielpartner, die sich aneinander reiben, einander umkreisen, beobachten, kritisch hinterfragen – in trockenhumorigen Dialogen (Drehbuch Julia von Heinz und John Quester) und Blickduellen, die von der Kamera von Daniela Knapp großartig eingefangen werden. Dies gilt auch für die Streifzüge, die Ruth und Edek durch Lodz unternehmen und dabei Verschiedenes auf- und entdecken. TREASURE ist ein warmherziger, tragikomischer und authentisch erzählter Film über das Aufarbeiten eines schrecklichen und wahrscheinlich nie überwindbaren Traumas, das sich wie ein Schatten auch über die nachfolgende Generation legt. Und er ist der beste Beweis für das große Talent von Julia von Heinz, sich ganz auf die Figuren einzulassen und sie auf ihrer Reise zu begleiten, die sie am Ende vor allem einander näher gebracht hat.

Filminfos

Gattung:Spielfilm; Tragikomödie
Regie:Julia von Heinz
Darsteller:Lena Dunham; Stephen Fry; Zbigniew Zamachowski
Drehbuch:Julia von Heinz; John Quester
Kamera:Daniela Knapp
Schnitt:Sandie Bompar
Musik:Antoni Komasa-Łazarkiewicz; Mary Komasa-Łazarkiewicz
Länge:112 Minuten
Kinostart:26.09.2024
Verleih:Alamode Filmdistribution
Produktion: Seven Elephants GmbH, Good Thing Going; Haïku Films; Kings & Queens Filmproduktion; Heinz & Quester; Lava Films; BR; SWR; MDR; Arte;
Förderer:MFG Baden-Württemberg; BKM; MBB; FFF Bayern; MOIN Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Ruth Rothwax versteht nicht, warum ihr Vater Edek sich auf ihrer Reise durch Polen weigert, mit der Eisenbahn zu fahren. Dass der Auschwitzüberlebende damals auf einer tagelangen, fürchterlichen Zugfahrt in das Vernichtungslager transportiert wurde und der Eisenbahnzug so bei ihm traumatische Erinnerungen auslöst, wird ihr und wohl auch den meisten Zuschauer*innen erst viel später im Laufe des Films klar. Und so können wir diese Erkenntnis mit ihr teilen. Darum ist wichtig, dass in TREASURE fast ausschließlich aus der Perspektive der Tochter von dieser Reise erzählt wird. In dem Film, der auf der autobiografischen Romanvorlage von Lily Brett basiert, macht die jüdische Tochter zusammen mit ihrem Vater eine Reise in dessen Heimatland. Sie will ihre Familiengeschichte aufarbeiten und hat einen genauen Reiseplan entworfen, der sie zu den historischen Orten der Judenvernichtung in Polen führen soll. Doch ihr Vater versucht diese Reise zu sabotieren, denn für ihn ist diese Heimkehr ein sehr schmerzhafter Prozess. Wie Ruth dies langsam erkennt und die beiden dadurch gemeinsam lernen, dieses Trauma, unter dem beide ganz unterschiedlich leiden, zu verarbeiten – davon erzählt dieser Film. Julia von Heinz inszeniert die berührende Familiengeschichte sehr nuanciert. In dem von ihr selbst geschriebenen Drehbuch und in ihrer Inszenierung vermeidet sie melodramatische Effekte und dramaturgische Zuspitzungen. Stattdessen konzentriert sie sich auf die Charakterzeichnung ihrer beiden Protagonistnen. Ruth ist eine New Yorker Stadtneurotikerin, die lehrbuchmäßig ihre jüdischen Wurzeln kennenlernen will (nicht umsonst liest sie ständig Bücher über den Holocaust) während Edek so tut, als wäre dies eine ganz normale Reise, auf der er sich vergnügen will. Doch man merkt, dass er damit versucht, eine Fassade aufrechtzuerhalten und zwar nicht nur vor seiner Tochter, sondern auch vor sich selbst. Wie jeder guter Reisefilm handelt auch TREASURE von einer inneren Reise und diese ist vor allem deswegen so bewegend, weil Lena Dunham und Stephen Fry die Tochter und den Vater so natürlich und humorvoll verkörpern. Beide haben selbst eine jüdische Lebensgeschichte, und man spürt, dass sie bei ihren Darstellungen auch aus eigenen Erfahrungen schöpfen. Nebenbei vermittelt der Film auch noch einen authentischen Eindruck vom Polen kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Aber vor allem geht es darum, wie unterschiedlich Menschen mit ihren persönlichen Verletzungen durch den Holocaust umgehen und wie diese Traumata auch die nachfolgenden Generationen prägen können. In TREASURE wird davon mit einer erstaunlichen Leichtigkeit erzählt, und gerade dadurch gelingt es Julia von Heinz, diesen Menschen und ihrer Geschichte mit ihrem Film gerecht zu werden.