Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
Die Geschichte ist wahr, und gerade deshalb kann man die Drehbuchautoren Steve Coogan und Jeff Pope gar nicht genug für ihre Arbeit loben. Denn es gelingt ihnen, in einem angenehm natürlichen Fluss die beiden Erzählstränge von PHILOMENA zu verbinden. Da ist zum einen die Suche einer älteren Frau nach ihrem Sohn, den irische Nonnen ihr wegnahmen, als sie ein junges Mädchen war, und an eine reiche amerikanische Familie verkauft haben. Und es geht um die Verbindung dieser irischen Frau aus einfachen Verhältnissen zu einem renommierten britischen Fernsehjournalisten, der erst nur zögerlich ihre „human interest story“ schreiben will, sich im Laufe der Recherche aber immer mehr seiner Mitreisenden gegenüber öffnet. Beiden Aspekten wird etwa gleichviel Gewicht beigemessen, und dabei entsteht eine feine Balance zwischen dem traurigen Familiendrama und der eher heiteren Buddy-Story. Die Komik entsteht dabei aus den Missverständnissen, die entstehen, weil die beiden Protagonisten so unterschiedlichen sozialen Schichten entstammen. Es ist sehr britisch, wenn diese Unterschiede hier zwar ironisch hinterfragt, aber dadurch im Grunde auch festgeschrieben werden. Witzig ist die Fallhöhe auch, weil Dame(!) Judi Dench diese Philomena Lee spielt. Bekannt durch Filmfiguren, wie beispielsweis Queen Victoria, die eher höheren Klassen zugehören, spielt sie diese irische Lady, die ihre Kitschromane liebt und immer gerne zugreift, wenn es etwas umsonst gibt, mit der gleichen Intensität, Würde und Komplexität. Coogan der sich sehr für die Verfilmung des Buches engagierte, mit am Drehbuch schrieb und als Produzent daran arbeitete, ist sonst eher ein temperamentvoller Schauspieler. Hier nimmt er sich sehr zurück und ist gerade deshalb so gut wie selten. Den Kern der intimen, kleinen Geschichte bildet ein großer Skandal. Hier wird auch davon erzählt, wie mittelalterlich die katholische Kirche noch vor wenigen Jahrzehnten in Irland mit wehrlosen jungen Frauen umgegangen ist, und wieviel Kaltherzigkeit auch heute noch den Opfern entgegenschlägt. Da wird nichts beschönigt, und auch wenn Philomena am Ende die menschliche Größe hat, zu verzeihen, ist dies ein Film, der zornig macht.