Papier schlägt Stein

Filmplakat: Papier schlägt Stein

FBW-Pressetext

Vanessa leidet als Überlegende des terroristischen Angriffs auf den Pariser Club Bataclan im Jahr 2015 unter einem Trauma. Die Erinnerungen haben sich eingegraben in ihr Bewusstsein und lassen die junge Frau Fragen stellen. Wie erinnert man sich als Individuum an schreckliche Ereignisse? Und wie als Gesellschaft? Wie als Land? Wie als Kultur? Und wer prägt diese Erinnerungen, diese Bilder im Kopf? Sind es wir selbst mit unseren eigenen Erfahrungen? Oder werden Erinnerungen und Assoziationen vielleicht auch von außen geprägt? So wie Schulbücher in Afghanistan, die von der US-Regierung in Druck gegeben werden und die ein ganz klar stereotypes Feindbild etablieren. Vanessa sucht Antworten auf ihre Fragen – und scheut sich nicht davor, diese Antworten sogar in sich selbst zu finden. In ihrem Kurzfilm spielt die Filmemacherin Vanessa Gravenor mit der Idee von Erinnerung in vielen Kontexten. Alle Szenen sind re-enacted, doch die Fragestellung, mit der sich das fiktive Alter Ego Vanessas durch die einzelnen Situationen bewegt, lässt ihre Überlegungen und Ängste erahnen. Und gerade die Vermischung aus Doku und Fiktion erscheint als die ideale Form, um eine persönliche Betroffenheit anzudeuten, aber die Auseinandersetzung auch noch auf der intellektuellen Ebene zu erhalten. Ein herausfordernder, komplexer und hochinteressanter Film.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Experimentalfilm; Kurzfilm; Doku-Fiktion
Regie:Vanessa Gravenor
Darsteller:Anna Stock; Jonathan Kolski; Otana Mirza; Jonathan Jung
Drehbuch:Vanessa Gravenor
Kamera:Nuno Martini
Schnitt:Vanessa Gravenor
Musik:Alex Feldman
Länge:16 Minuten
Produktion: Vanessa Gravenor
FSK:12
Förderer:Canada Council of the Arts

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Die 17-minütige Doku-Fiktion PAPIER SCHLÄGT STEIN kann man nur gerecht werden, wenn man akzeptiert, dass hier die angesprochenen Themenfelder nicht erklärt, sondern nur angerissen und durch die Biografie der Filmemacherin zusammengehalten werden. Vanessa Gravenor – US-Staatsbürgerin – wurde bei den Terroranschlägen 2015 auf den Pariser Club „Bataclan“ verletzt. In ihrem Film schlägt sie daher einen großen Bogen aus Geschichte und Politik, medizinischer Feldforschung nach einer Posttraumatischen Belastungsstörung und ihren eigenen psychischen Blessuren. So beginnen wir mit historischem Bildmaterial aus dem Afghanischen Bürgerkrieg, in dem CIA und US-Regierung Islamisten unterstützten, um die militärisch sowjetgestützte, kommunistische Regierung aus dem Land zu treiben. Dabei spielten neben Waffen vor allem gedrucktes Propagandamaterial eine Rolle, welches das Feindbild des „grausamen Ivan“ aufbaute. In weiteren Filmsequenzen lässt sich eine Schauspielerin, die Vanessa darstellt, von einem US-Professor die amerikanische Propagandastrategie erklären. Eine dritte Ebene zeigt sie als Patientin bei medizinischen Versuchen, die untersuchen, wie traumatische Erlebnisse im Gehirn gespeichert und wodurch sie wieder abgerufen werden. Atmosphärisch gelingt es der Regisseurin, den Verlust persönlicher und jeglicher geografischer Sicherheit vor Terror als beklemmendes Problem zu veranschaulichen. Mit der Vermischung aus Doku und Fiktion wurde dafür die richtige Form gefunden, auch wegen der starken persönlichen Betroffenheit.

Das alles fügt sich zwar nicht zu einem befriedigenden Ganzen, auch bleiben die jeweiligen Teile keinesfalls auserklärt, aber der Film regte die Jury an, über die jeweiligen Aspekte zu diskutieren, die jeweilige ästhetische, visuelle Umsetzung als überzeugend zu loben und das Werk eher als Dokumentation einer Suche als einen Erklärfilm zu verstehen. Gerne zeichnet die Jury den Film in Abwägung aller Argumente mit dem Prädikat WERTVOLL aus.