Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
Was den Europäern das Märchen bedeutet, das ist für die USA die Tradition der unüberwindlichen Superhelden, die unermüdlich für Recht und Gerechtigkeit streiten. Auch der „Lone Ranger“ ist ein solcher Held, der mit schwarzer Maske, schneeweißem Hut und auf einem blendend weißen Schimmel den wilden, wilden Westen von seinen schlimmsten Übeltätern befreit. Begleitet wird er von einem Indianer, der Tonto, zu deutsch „Idiot“, genannt wird, im Grunde aber der weise Mann und die treibende Kraft in diesem Kampf gegen das Unrecht ist. Wenn diese beiden Figuren von Armie Hammer und Johny Depp verkörpert werden, dann hat man schon Garanten für zündende Szenen. Ohnehin ist dieser epische Film über den jungen Staatsanwalt, welcher in die anfänglich viel zu großen Stiefel seines Ranger-Bruders schlüpft, der von einem Fiesling ohne Gleichen ermordet wird, und seinen sonderbaren indianischen Begleiter eine Schatzgrube an pointierten Dialogen und vor allem Zitaten aus dem Westerngenre. Das geht von der großen Zeit des Western mit John Fords Klassikern über LITTLE BIG MAN bis hin zu SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD und DER MIT DEM WOLF TANZT. Diese Lust am Zitat spiegelt sich auch in der Musik wieder, die sich aus dem reichen Fundus von Folksongs und Klassik bedient. Der absolute Höhepunkt ist gegen Ende des Films die Ouvertüre aus Rossinis „Wilhelm Tell“, die gleichzeitig die Titelmusik der früheren „Lone Ranger“-Fernsehserie war und zu deren Klängen der Lone Ranger alias John Reid auf seinem weißen Zauberpferd die Bösewichter im wahrsten Sinne über Stock und Stein verfolgt. Dabei könnte Hans Zimmers eigene Komposition fast in Vergessenheit geraten, aber sie bildet den soliden Grundstock des Scores. Es ist fast schon überflüssig anzumerken, dass hier bestes Handwerk geboten wird, alle Schauspieler bis in die Nebenrollen – u.a. Barry Pepper als Kavallerie-Offizier mit gewollter Ähnlichkeit zu dem unglückseligen General Custer – blendend besetzt sind und die Balance zwischen Komödie und Tragödie für ausgewogene Momente sorgt. Dies verhindert, dass der Film nicht zu einer Anhäufung von Kalauern gerät. Auch ernstere Themen werden angesprochen, wie etwa der Mord an den Indianern im 19. Jahrhundert. Wie schon in DER MIT DEM WOLF TANZT sind hier die Indianer nicht die bösartigen „Rothäute“, die das in frühen Western übliche Feindbild bedienen, sondern die letzten Überlebenden einer zum Untergang verurteilten „Nation“. Die wahren Schurken findet man in den Reihen der geldgierigen Eisenbahnbosse, darunter den Oberschurken Cole mit seinem teuflischen Plan, durch einen gigantischen Silberfund auf Indianergebiet, „das ganze Land zu kaufen“, und in den in frühen Western immer als rettende Helden gefeierten „Jungs in Blau“, der Kavallerie. Das große Thema dieses Films ist Gerechtigkeit, die aber, wie die traurige Moral es lehrt, nur noch selten zu finden ist und es eben jener Superhelden wie den Lone Ranger bedarf, um die aus dem Gleichgewicht geratenen Kräfte wieder auszubalancieren. Eine kleine Prise indianischer Mythen verleiht der mit einigen Märchenelementen und einem Hauch von Fantasy ausgestatteten Westernsaga noch einen zusätzlichen Reiz. Gegen all diese „Trümpfe“ wiegen manche Unstimmigkeiten wie der Hang zu Computeranimation und Verzichte von realen Kulissen bei Landschaften, die einst im alten Western noch filmische Realität waren, oder auch die gelegentlich mangelnde Originalität im Drehbuch im Verhältnis von eigenen Ideen und Zitaten nicht so schwer, als das sie das Gesamtvergnügen an diesem unterhaltsamen, humorvollen, ein wenig nostalgischen Film schmälern können, der bei allem Klamauk durchaus auch das eine oder andere erstere Thema zumindest streift.