Jury-Begründung
Prädikat wertvoll
Kann man über das Thema Alzheimer einen Unterhaltungsfilm machen? Til Schweiger hat es sich mit HONIG IM KOPF nicht einfach gemacht. Umso erstaunlicher ist es, wie sicher er hier die drohenden Untiefen vermeidet. So kann zwar vor allem im ersten Teil des Films über die zahlreichen Fehltritte des zunehmend verwirrten Großvater Amandus gelacht werden, aber nie auf dessen Kosten. Dieter Hallervorden beweist, was für ein großer Komiker und Schauspieler er ist, gerade weil er nicht versucht, in der Rolle komisch zu sein. In aller Unschuld pinkelt er in den Eisschrank und der Film sieht ihn mit den liebevollen Augen seiner Enkelin Tilda, die kompromisslos für ihn kämpft und schließlich mit ihm auf eine letzte märchenhafte Reise geht. Ihre bedingungslose Liebe zu ihm ist den Erwachsenen in der Familie nicht gegeben, und so hat Til Schweiger sich selber als Tildas Vater, vor allem aber Jeanette Hain als der sehr auf gute Formen bedachten Mutter ziemlich undankbare Rollen geschrieben. Er ist der vielbeschäftigte Berufsmensch, sie hat gerne die Kontrolle über alles, und da ist solch ein unberechenbarer alter Mann der reinste Horror. Über ihr mal empörtes, meist aber eher entsetztes Gesicht soll gelacht werden, und erst ganz am Schluss des Films gönnt das Drehbuch ihr eine Wandlung, die schließlich auch Mitgefühl mit ihr möglich macht. Doch das starke Energiezentrum des Films bildet das so ungleiche und deshalb umso berührendere Paar Opa Amandus und Enkeln Tilda. Emma Schweiger und Dieter Hallervorden sind so gut aufeinander eingestimmt, dass man die innige Freundschaft der beiden in jeder Einstellung spürt. Til Schweigers Tochter spielt mit einem sehr sympathischen natürlichen Charme und rettet dadurch selbst solch hanebüchenen Filmsequenzen wie jene, in der sie ihren Großvater an das Steuer einer Luxuswagen setzt und dieser (wie erwartet) alles zu Schrott fährt. Hallervorden wirkt absolut authentisch als ein alter Mann, der sukzessive sein Gedächtnis verliert und (das ist das Schlimmste) sich dessen in einigen Momenten auch sehr bewusst ist. So ist die bewegendste Stelle des Films jene, in der er seine Enkelin darauf vorbereitet, dass er sie bald nicht mehr erkennen wird. Hier gelingt Schweiger großes Gefühlskino ohne Verlogenheit, denn er erspart dem Zuschauer ja eine wunderbare Genesung. HONIG IM KOPF ist ungewöhnlich schnell geschnitten. Doch dabei verzettelt er sich nie und beweist, dass er ein guter Geschichtenerzähler ist.