Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
Das Naturschutzgebiet Oostvaarderplassen in den Niederlanden ist tatsächlich eine „neue Wildnis“. Vor vierzig Jahren aus dem Meer gewonnen, eignete sich das Sumpfland nicht für die dort geplanten Industrieansiedlungen, und so wurde es der Natur überlassen, die dort bald ein Ökosystem sprießen ließ, das vorher wohl niemand im am dichtesten bevölkerten Land der Erde für möglich gehalten hätte. Mark Verkerk hat zwei Jahre lang dort Aufnahmen für seinen Naturfilm gemacht und konnte ihn so der natürlichen Dramaturgie des Wechsels der Jahreszeiten folgen lassen. Dabei hat er bestechende Aufnahmen von den dort lebenden Tieren gemacht, dabei einige Arten wie die Büffel oder den Seeadler nur der Vollständigkeit halber vorgestellt. Dafür hat er sich wiederum andere Tiere ausgesucht, deren Schicksal er mit einem guten Gefühl für Dramatik erzählt. So ist sein Hauptprotagonist ein schwarzes Konikpferd, dessen Lebensweg er von der Geburt bis zum Tod beschreibt. Kommentar und Filmmusik unterstützten die melodramatische Wirkung durch einen eher emotional aufgeladenen als informativen Text und einen Score, in dem alle Register der romantisierenden Stimmungsmusik gezogen werden. Angesichts des großen Naturpanoramas, das der Film bietet, sind diese Mittel jedoch durchaus angemessen. Es gelingt Verkerk, viele Aspekte dieses Mikrokosmos mit grandiosen Bildern darzustellen. Dabei zeigt er die Natur in ihrer Schönheit, aber auch die Brutalität, wenn etwa Gänsekücken von einem Fuchs gejagt werden oder Karpfen am Ufer stranden. Nicht nur hier zeigt Verkerk exemplarisch, wie Tod und Leben einander bedingen, denn die Maden aus den Kadavern der Fische dienen Vögeln als Nahrung, die sich damit Reserven anfressen können, die sie vielleicht über den nächsten harten Winter bringen. Die große Kolonie von Wildpferden ist sicher die spektakulärste Sehenswürdigkeit des Naturparks, und zu ihr kehrt der Film auch immer mit aufwendigen Aufnahmen, zum Teil aus der Luft, zurück. Aber er zeigt auch, wie lebendig es im Kothaufen zugeht, den eines dieser Pferde fallen lässt, und er folgt mit speziellen Kameras dem Flug von Bienen sowie einer ihrer Königinnen in das Inneres ihres Baus, in dem sie ihre Eier legt. Den Kreislauf Geburt, Überleben, Fortpflanzung und Tod zeigt der Film in immer neuen, oft überraschenden Variationen. Der Mensch fährt nur einmal schemenhaft als Schlittschuhläufer durchs Bild. Gut, dass Verkerk ihn nicht ganz herausgelassen hat, aber mehr hat er dort auch wirklich nicht verloren.