Filmplakat: Blind Date 2.0

FBW-Pressetext

Bevor der Besuch kommt, muss man für Ordnung sorgen. Das gilt sowohl für das gründliche Reinigen der Wohnung als auch für die sachlich-detaillierte Absprache der zu erwartenden Handlungen. Und so räumt Paul erst einmal auf, bevor sein Sex-Date ihn besucht. Als beide sich begegnen, geschieht das zum ersten Mal. Ob es ein zweites Mal geben wird? Fragwürdig. Ob Paul das bedauert? Ebenfalls fragwürdig. Und was genau haben Gefühle überhaupt mit dem zu tun, was hier geschieht? Der Filmemacher Jan Soldat begibt sich in seinen Kurzdokumentarfilmen auf die Suche nach der feinen Linie zwischen persönlich-privater Intimität und dokumentarischer Distanz. Die Bilder, die die Zuschauenden zu sehen kriegen, sind direkt und unverstellt. Und doch wird der sexuelle Akt in seiner Banalität und Emotionslosigkeit so sehr versachlicht, dass von Pornografie keine Rede sein kann. Paul als Porträtierter wird dabei in keiner Weise bloßgestellt. Eher verbildlichen Soldats Einstellungen, die immer auch die Wohnung miteinfangen, Paul in seiner, so scheint es, selbstgewählten Einsamkeit. BLIND DATE 2.0 zeigt die Kunst und das Können des Filmemachers Jan Soldat, Sexualität mit einem wahrhaftigen Blick zu entsexualisieren und so die Empathie und das Interesse der Zuschauenden eher auf den Porträtierten zu lenken als auf den Akt selbst.
Prädikat wertvoll

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm; Kurzfilm
Regie:Jan Soldat
Drehbuch:Jan Soldat
Kamera:Jan Soldat
Schnitt:Jan Soldat
Webseite:jansoldat.com;
Länge:7 Minuten
Verleih:sixpackfilm
Produktion: Jan Soldat

Jury-Begründung

Prädikat wertvoll

Der Dokumentarkurzfilm zeigt eine Begegnung zwischen zwei Männern mittleren Alters, die sich nicht kennen und zum Zwecke gegenseitiger sexueller Befriedigung verabredet sind. Vorher wird die Wohnung aufgeräumt, die Sturmmütze für den Gast bereitgelegt. Die verbale Abklärung der jeweiligen Vorlieben offenbart, dass hier kein ‚dream team‘ zusammenkommt.
Im Mittelpunkt des Zimmers – wie auch des Filmbilds - dominiert ein großer Fernseher, in dem ein Porno zwei Männer während des sexuellen Akts zeigt. Das Licht im Zimmer bleibt taghell, die beiden Männer entkleiden und befriedigen sich. Freundlich und nüchtern eine Zigarette danach, kurzer small talk, dann Verabschiedung an der Wohnungstür.

In seinem Film zeigt Jan Soldat – wie auch schon in anderen Werken - die Alltäglichkeit, ja Beiläufigkeit homosexueller Begegnungen - kontrastiert mit einem professionell inszenierten Porno, der entsprechend ausgestattete Darsteller aufbietet. Die Körperlichkeit der beiden Protagonisten wirkt dagegen fast anrührend schutzlos, bisweilen auch komisch, auf jeden Fall nicht heroisch. Die distanzierte und zugleich schamlose Kameraführung macht die Banalität dieses Blind Date deutlich, ohne seine Protagonisten auszustellen.

Kritisch wurde von der Jury angemerkt, dass die visuelle Dominanz des professionellen Pornos zu wenig Raum für den dokumentarischen Blick gelassen hat.

In Abwägung aller Argumente und im Anschluss an eine spannende Diskussion verleiht die Jury dem Film gerne das Prädikat WERTVOLL.