Beben

Filmplakat: Beben

FBW-Pressetext

Die spasmischen Krampfattacken lassen Leons Körper erbeben und übernehmen die Kontrolle. Doch wenn das Beben vorbei ist, dann bleibt die Einsamkeit. Leon weiß, dass ihn seine körperliche Behinderung nicht nur von seinen Kommiliton:innen trennt, mit denen er zwar in einer Lerngruppe ist, aber zu denen er nicht wirklich dazugehört. Sondern auch von seiner Mutter, die das Beste für ihn will, aber ihn mit ihrer Sorge erdrückt. Wirklich frei fühlt sich Leon nur, wenn er auf seinem Bike durch die Nacht fährt. Dann erinnert er sich an die Momente im Wasser, während der Therapie. Da waren nur er, das sanfte Plätschern im Wasser – und die große Nähe zu der einen Person, der er vorbehaltlos vertraute. Bis zu dem einen Vorfall, der alles zerstörte. Das 4:3-Bildformat, das der Regisseur Rudolf Fitzgerald Leonard und seine Kamerafrau Stefanie Reinhard für BEBEN gewählt haben, passt unglaublich gut zur dicht erzählten Geschichte von Fitzgerald Leonard und seinen Co-Autor:innen Annika Birgel und Luis Brandt. BEBEN konzentriert sich ganz auf den Protagonisten Leon, den Luis Brandt eindrucksvoll und charismatisch verkörpert. Es braucht nur wenige Dialoge, die Leons Lebensrealität deutlich machen und alle Figuren auf den Punkt genau charakterisieren. Der Film arbeitet nur wenig mit Licht. Doch das ändert sich schlagartig, wenn die junge Frau, die sich in der Wassertherapie um Leon kümmerte, als Erinnerung ins Bild kommt. Dann reichen wenige Einstellungen, die die dramatischen – und bis zum Schluss rätselhaften – Verbindungen zwischen Therapeutin und Patient ganz nah an die Zuschauenden heranführen. Der Film geht hochsensibel, klug und inklusiv mit seinem komplexen Thema um. Indem er den Protagonisten ernstnimmt, das Thema Liebe, Vertrauen und Zurückweisung auf Augenhöhe mit der Problematik eines Betroffenen inszeniert und auf alles Schulmeisterliche verzichtet. BEBEN ist, dank seiner gekonnt eingesetzten filmischen Mittel wie Montage, Sound und Farbmischung handwerklich perfekt. Und dank seines starken Hauptdarstellers und dessen feinfühlig erzählten Geschichte tief berührend und einfach menschlich.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Irgendetwas ist vorgefallen, als Leon mit seiner Therapeutin im Therapiebecken war. Irgendetwas, worüber beide nicht mehr sprechen wollen. Aber das, was passiert ist, hat Spuren hinterlassen, Vertrauen zerstört und dann hat es offenbar auch noch irgendwer gefilmt.

Mit einer Behinderung zu leben, stellt mitunter vor große Herausforderungen. Vieles liegt im Halbdunkel und doch ist Rudolf Fitzgerald Leonards Kurzfilm ganz nah an seinem Protagonisten. Leon muss mit seinen Spasmen leben. Er wohnt alleine, auf ein paar Quadratmetern und macht eine Ausbildung. Angewiesen ist er nur auf seine Therapeutin. BEBEN erklärt nicht viel, sondern zeigt mit großer Subjektivität, der Rest ist Sache des Publikums. Besser lässt sich Inklusion kaum praktizieren.

Es sind viele Kleinigkeiten, mit denen BEBEN Leons große Alltagssouveränität aufzeigt. Ein Clip auf Social Media, ein dummer Spruch, auch Cybermobbing ist Leon nicht fremd. Seine Freunde werden vielleicht nicht einmal ahnen, welche Konsequenzen ihre Belästigungen haben und doch steht Leon augenscheinlich über solchen Dingen, lässt sie einfach unkommentiert verpuffen. Nur das, was da zwischen ihm und seiner Therapeutin passiert ist, das lässt ihn nicht kalt. Als von ihrer Seite nichts kommt, nimmt er die Sache selbst in die Hand.

BEBEN zeigt, wie sich körperliche und seelische Erschütterung anfühlen, zeigt, wie Menschen mit Traumata umgehen und wirft dennoch nie nur einen Blick darauf. Durch seine unglaubliche Subjektivität kommt BEBEN nie auch nur in den Verdacht von Voyeurismus, sondern lässt sein Publikum tatsächlich teilhaben. Die Jury ist sicher, das ist beides: dramaturgisch klug und erzählerisch geschickt. Luis Brandt verkörpert Leon großartig. Er nimmt das Publikum mit, bei seiner Aufarbeitung, anstatt es nur zuschauen zu lassen. Da bedarf es auch nicht vieler Worte, da reicht dann einfach nur die Kamera, die konsequent bei der Sache ist. Das 4:3-Format verweist dabei folgerichtig auf die Enge, die ihn umgibt, das Bildrauschen legt genauso die Spannung offen, die aus dem Vorfall resultieren, wie es an die Spasmen erinnert, die bei Leon spontan einsetzen können.

BEBEN traut sich mit großer Nähe aus dem Alltag eines Menschen mit Behinderung zu erzählen, berichtet von Verletzungen, Zuneigung und Verantwortung, vermeidet dabei aber alle falsche Empathie. Diese Souveränität, so zeigt sich am Ende der Diskussion, haben die Juroren bislang nur selten gesehen, so dass sie BEBEN so gerne wie auch einstimmig das Prädikat BESONDERS WERTVOLL verleihen.