Jury-Begründung
Prädikat wertvoll
Vielleicht könnte man diesen Film als ein traurig-schauriges Märchen ansehen, das in modernen Zeiten spielt und München von einer Seite zeigt, die ungewohnt und unangenehm ist. Statt Schönheit dominieren hässliche und ekelhafte Eindrücke. Nicht die reiche Kultur kann der Zuschauer bewundern, sondern er wird mit Armut und Asozialität konfrontiert. Diese Sozial-Groteske bietet eine fiktive Geschichte, die pseudo-dokumentarische Einblicke in die Pension „Annelie“ vermittelt, welche als Obdachlosenheim genutzt wird. Das Langfilm-Debüt von Antej Farac - einem Schüler von Emir Kusturica - war in der FBW-Jury sehr umstritten. Nicht alle Jurymitglieder konnten sich mit der sonderbaren Filmästhetik anfreunden. Die klare Gliederung in drei Teile erwies sich allerdings als günstig. Im ersten Teil werden die Bewohner vorgestellt, die quasi eine Familie bilden. Die Charaktere entsprechen teilweise den Klischees, die sich auf gescheiterte Existenzen beziehen, teilweise werden jedoch auch subtile Facetten deutlich, die menschliche Besonderheiten der Figuren offenbaren. Der zweite Teil macht eingehender mit dem Erzähler Max bekannt. Dieser war einst ein gefeierter Kinderstar, kam aber auf die schiefe Bahn und wurde ein Junkie. Er kommentiert aus dem Off das Geschehen und die anderen handelnden Figuren. Schließlich läuft alles auf ein dramatisches Finale zu, dass mit einem KISS-Konzert im Innenhof und dem Selbstmord des Protagonisten ein festliches, bitter-süßes Ende findet. Die Ambivalenz der hervorgerufenen Emotionen findet ihre Entsprechung in der ästhetischen Dimension. Einerseits herrscht ein realistischer, veristischer Blick vor, andererseits geschieht Unglaubliches. Die vereinzelt auftauchenden verfremdenden Bild- und Toneffekte wurden durchaus als reizvoll angesehen. Hingegen hätte beim ausgiebig gezeigten Kaputtschlagen von Möbeln - angereichert mit einem Freudenfeuer - die Würze eher in der Kürze gelegen. Solch zelebrierte Zerstörungswut lässt sich leicht als Effekthascherei diskreditieren. Oft bekommt man „Armut ohne Würde“ (Heiner Müller) zu sehen, nur selten gibt es einen Umschlag vom Banalen zum Erhabenen. Die schauspielerischen Leistungen einzelner Akteure waren beachtlich. Die Jury votierte nach kontroverser Diskussion für das Prädikat „wertvoll“.