Warum begeht Helen Koch schweren Kraftwagendiebstahl?

Filmplakat: Warum begeht Helen Koch schweren Kraftwagendiebstahl?

FBW-Pressetext

Über den flackernden Lichtern ihres Laptops gebeugt, lässt die Lehrerin Helen Koch den Abend in ihrer kargen Altbauwohnung immer gleich ausklingen. Ihr Leben scheint gefangen im Trott: Morgens Arbeit, abends Youtube-Clips. Arbeit. Youtube. Arbeit. Youtube. Das Ergebnis: Langeweile. Wie aus diesem überaus drögen Teufelskreis schließlich schwerer Kraftwagendiebstahl werden kann, ist schwer vorstellbar. Und genau mit diesem Überraschungsmoment spielt der Filmschaffende Moritz Geiser auf höchst intelligente Weise, indem er für seine Filmfiguren das rationale Handeln kurzerhand vollkommen aushebelt. Möglich wird das auch durch das herausragende Spiel der beiden Hauptdarstellerinnen Anne Kulbatzki und Aurelia Schäfer, die wie aus der Pistole geschossen ihr Handeln und Spiel in derart unerwartete Bahnen lenken können, dass es Freude bereitet, die nächste Wendung herbeizusehen bis hin zur Ultima Ratio scheinbar unvermittelter Gewalt. Doch hier gleitet WARUM BEGEHT HELEN KOCH SCHWEREN KRAFTWAGENDIEBSTAHL? nicht einfach in ein bloßes Schauerlebnis ab, sondern zeigt eine multimediale Persiflage auf Filmwerke wie Fassbinders WARUM LÄUFT HERR R. AMOK? oder den Meilenstein der Videospielgeschichte GRAND THEFT AUTO. Da kann es kein Zufall sein, dass beide sich bereits im Titel des Films wiederfinden lassen. Ein beeindruckendes Kurzfilmwerk, das entgleitet, provoziert und einfach mal „die Fresse poliert“.
Prädikat besonders wertvoll

Filminfos

Gattung:Kurzfilm; Fiction
Regie:Moritz Geiser
Darsteller:Anne Kulbatzki; Aurelia Schäfer; Wolfgang Michalek; Rahel Ohm; Kaspar Heger
Drehbuch:Moritz Geiser
Kamera:Hannes Schulze
Schnitt:Moritz Geiser
Länge:22 Minuten
Produktion: Moritz Geiser Produktion Moritz Geiser

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

WARUM BEGEHT HELEN KOCH SCHWEREN KRAFTWAGENDIEBSTAHL ist ein kurzer Film, der viel erzählt, noch mehr verschweigt und ständig überrascht.
Regisseur Moritz Geisler spielt dabei gekonnt mit Sehgewohnheiten, Erwartungen und falschen Fährten.
Inszeniert wird der explosive Ausbruch zweier Frauen aus der Ödnis ihres Alltags. Weder die Lehrerin, noch die Schülerin fühlen sich wohl in den ihnen zugeschriebenen Rollen. Sie sprengen die Monotomie ihres Alltags und ihre jetzt schon zementiert wirkende Zukunft und werden ‚sisters in crime‘. Dahin führt sie ein Weg, der konventionell eher Männern vorbehalten ist: sie prügeln sich, und zwar heftig.
Die kraftvollen Charaktere sind nach Ansicht der Jury gut skizziert und treffend besetzt. Skurrile Sidekicks wie der an Halloween verkleidete Junge und die Bettlerin mit Vampirzähnen fügen eine latent unheimliche Grundierung bei.

Auch ästhetisch überzeugt der Film in hohem Maße. Die realistisch gedrehten Passagen können auch als Einblick in die Unwirtlichkeit der Städte gesehen werden. Immer wieder werden digital generierte Bildwelten eingeschnitten wie beispielsweise You Tube Videos, in denen es zu explosiven Druckentladungen kommt. Dass die gesamte Szenerie an einzelne aus Videospielen bekannte Sequenzen erinnert, ist sicherlich kein Zufall. Und trägt zum überzeugenden Eindruck bei, den die Film auf die Jury gemacht hat. Ein spannend gestalteter und erzählter Film, dicht und unvermittelt.
Gerne verleiht die Jury in Abwägung aller Argumente das höchste Prädikat BESONDERS WERTVOLL.