Wenn man als Autor eine überzeugende Figur erschaffen hat, können nur wenige Schauspieler diese verkörpern. Das muss auch Thomas erkennen, der nach einem ermüdenden Vorsprechen die Hoffnung aufgegeben hat, jemals die richtige Besetzung für seine „Venus im Pelz“ zu finden. Doch plötzlich erscheint Vanda. Sie ist frech, überdreht und überzeugt, die Richtige für die Rolle zu sein. Thomas erlaubt ihr, vorzusprechen und gibt ihr das Stichwort. Doch je mehr die beiden spielen, desto mehr stellt sich die Frage: Wer spielt hier eigentlich welchen Part? Aus dem berühmten Buch von Leopold von Sacher-Masoch aus dem 19. Jahrhundert über einen Mann, der sich eine ihn dominierende Frau herbeisehnt, schuf David Ives 2010 ein gleichnamiges Theaterstück. Nun hat Roman Polanski sich der Bühnenvorlage angenommen und schafft eine kongeniale filmische Umsetzung dieses Kammerspiels. Nur zwei Personen agieren auf der Bühne. Emanuelle Seigner ist Vanda, die in ihrer Wandlungsfähigkeit fasziniert und beeindruckt. Mal ist sie verspielte Kindfrau, mal feuriger Vamp, dann wieder eine kühl manipulierende Domina. Mathieu Amalric ist Thomas, der Regisseur und Autor. Wie keine Figur zuvor ist er die Verkörperung Polanskis schlechthin, ein Alter Ego des Meisterregisseurs, der hin und hergerissen wirkt zwischen Fantasie und Wirklichkeit, zwischen Genie und Wahnsinn. Beide Figuren umkreisen sich wie Gestirne, wie Liebende, wie Fremde und gleichzeitig Vertraute. Immer mehr verschwimmen Fiktion und Wirklichkeit, sodass am Ende nicht klar ist, was tatsächlich bei diesem Vorsprechen passiert ist. Seine filmischen Mittel setzt Polanski dabei gezielt und reduziert ein, dank exzellenter Kameraarbeit und einer präzisen Tongestaltung gelingt ihm eine perfekte Umsetzung der Buch- und Bühnenvorlage. VENUS IM PELZ – ein elegantes laszives Kammerspiel über die Macht des Verführens. Und der Lust am Verführtwerden.
Zwei Menschen auf und vor einer Bühne. Minimalistischer kann man kaum Kino machen. Roman Polanski hat sich mit viel Witz und Einfallsreichtum dieser Herausforderung gestellt. Nach GOTT DES GEMETZELS ist VENUS IM PELZ wieder die Adaption eines erfolgreichen Theaterstückes. Dieses ist wiederum durch die 1870 erschienene gleichnamige Novelle von Leopold von Sacher-Masoch inspiriert, wodurch der Stoff auf drei Ebenen gespiegelt wird. Die Ausgangssituation ist fast schon eine altbekannte Genre-Konvention: Eine Schauspielerin kommt viel zu spät zu einem Casting, kann den Regisseur nur mit viel Mühe davon überzeugen, ihr noch eine Chance zu geben und entpuppt sich dann als die Idealbesetzung. In diesem Fall kann man eher von einer Wiedergeburt der Vanda aus dem Stück sprechen, denn die Darstellerin stellt sich nicht nur mit dem gleichen Namen vor, sie verwandelt sich im Laufe der Handlung auch immer mehr in die literarische Domina und hat am Schluss einen surrealen Auftritt als griechische Rachegöttin. Im Grunde ist VENUS IM PELZ ein langes Duell der beiden Protagonisten, deren Waffen Erotik, Macht und die Sprache sind. Polanski arbeitet mit einer sehr lebendigen Kamera und verhindert dadurch, dass die Beschränkung auf den einen Spielort den Film statisch oder klaustrophobisch wirken lässt. Zudem zelebriert er den Wortwitz und die philosophischen Finessen der Vorlage. Und er deutet eine weiter autobiografische Lesart des Stoffes dadurch an, dass er nicht nur seine langjährige Lebenspartnerin Emmanuelle Seigner die Vanda spielen lässt, sondern in Mathieu Amalric auch einen Schauspieler gefunden hat, der dem jungen Polanski in Statur, Körpersprache und Temperament sehr ähnlich ist. Polanski hatte schon immer eine Vorliebe dafür, fremde Vorlagen wie „Macbeth“, „Tess“, „Der Pianist“ oder „Oliver Twist“ autobiografisch zu interpretieren. In diesem Sinne ist VENUS IM PELZ ein typischer Polanski-Film.