Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
Es gibt immer noch wahre Geschichten über den Zweiten Weltkrieg und seine Folgen, die kaum bekannt sind und die es wert sind, erzählt zu werden. Etwa jene von den deutschen Kriegsgefangenen, die kurz nach Kriegsende nach Dänemark beordert wurden, um dort an den Küsten die über 2,2 Millionen Granaten wegzuräumen, mit denen die deutschen Besatzer die dänische Küste vermint hatten. Die meisten von ihnen gehörten zum Landsturm, also dem letzten Aufgebot des deutschen Heers. Viele von ihnen waren noch sehr jung und ohne jede militärische Ausbildung - heute würde man sie als Kindersoldaten bezeichnen. Martin Zandvliet erzählt in UNTER DEM SAND von solch einem Trupp junger Männer, für die der Einsatz an der dänischen Nordseeküste sich als ein Himmelfahrtskommando entpuppt. Zum einen ist die Arbeit extrem gefährlich, denn jede einzelne im Sand vergrabene Mine muss gefunden, vorsichtig ausgegraben, entschärft und abtransportiert werden. Und bei jedem dieser Arbeitsschritte kann sie mit unausweichlich tödlichen Folgen explodieren. Zandvliet zeigt über lange Passagen detailliert und in langen Einstellungen die deutschen Protagonisten bei der Arbeit am Strand. Und er entwickelt mit diesen im Grund einfachen dramaturgischen Mitteln eine enorme Spannung, denn jede Bewegung kann tödlich sein und die Sequenzen sind so geschickt inszeniert, dass jede Katastrophe wieder neu schockiert und der Zuschauer unmöglich vorhersehen kann, welche und wie viele von den jungen Männern schließlich überleben werden. In diesem Sinne ist dies ein perfekt gebauter Thriller in der Tradition von LOHN DER ANGST, in dem angesichts der Gefahr und der Angst jeder der Protagonisten sein wahres Gesicht enthüllen wird. Dadurch bekommt der Film eine manchmal erstaunliche existentielle Tiefe, und das Ensemble von jungen deutschen Schauspielern, zu denen etwa Lois Hofmann und Leon Seidel gehören, spielt mit einer Intensität und Natürlichkeit, durch die das Publikum schnell eine beachtliche Empathie für sie entwickelt. Auf einer anderen Ebene wird hier auch vom Verhältnis erzählt, das die Dänen zu jener Zeit zu den Deutschen hatten. Diese waren verhasst, und nach dem Krieg kam es zu Vergeltungsaktionen, unter denen auch die jungen Deutschen am Strand leiden. Der Film wechselt ständig zwischen ihrer Perspektive und der eines dänischen Feldwebels, unter dessen Kommando sie stehen, und der zum Beginn des Films aus ein Mann voller Hass auf die deutschen Soldaten vorgestellt wird, der einige von ihnen voller Zorn und ohne jeden Anlass zusammenschlägt. Der zweite dramaturgische Bogen des Films beschreibt, wie dieser Mann die Deutschen zuerst malträtiert, aber mit der Zeit immer mehr zu ihrem väterlichen Beschützer wird. Er verhindert, dass sie missbraucht, ausgehungert und vergiftet werden und schließlich opfert er sich für sie auf, um sie in die Freiheit zu führen, die ihnen versprochen, um die sie aber betrogen wurden. Roland Moller gelingt es in dieser Rolle, einen Soldaten zu verkörpern, der sich vor den Augen der Zuschauer langsam aus der Erstarrung seines Kriegstraumas löst und so exemplarisch für einen Prozess der Heilung und Versöhnung steht. In diesem Sinne ist UNTER DEM SAND zugleich ein spannendes Drama und ein universelle, humanistische Parabel.