Und dann der Regen

Kinostart: 29.12.11
2010
Filmplakat: Und dann der Regen

FBW-Pressetext

Ein engagiertes Filmteam will in Bolivien die Geschichte von Christoph Kolumbus und seiner gewaltvollen Eroberung des amerikanischen Kontinents verfilmen. Bereits nach wenigen Drehtagen stellen sich Probleme bei den Dreharbeiten ein. Denn gleichzeitig rumort es in der Stadt, da der Staat die lokale Wasserversorgung privatisiert hat. Und auf einmal findet sich das Filmteam inmitten einer Revolte wieder. Regisseurin Iciar Bollain gelingt ein packendes Sozialdrama einer Gesellschaft, die sich wehrt gegen Unterdrückung und Ausbeutung. Gespiegelt wird diese Situation in der Handlung des Films im Film, durch die Darstellung des Kolumbus-Konflikts mit den unterjochten Ureinwohnern. Fließend gehen die verschiedenen Ebenen ineinander über und erhalten ihre mitreißende Kraft durch die brilliante Inszenierung und den exzellenten Einsatz aller filmischen Mittel. Ein brisanter und beeindruckender Brückenschlag zwischen Historie und Gegenwart.

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm
Regie:Icíar Bollaín
Darsteller:Gael Garcia Bernal; Luis Tosar; Raúl Arévalo; Karra Elejalde; Carlos Aduviri; Cassandra Ciangherotti; Vicente Romero; Carlos Santos
Drehbuch:Paul Laverty
Kamera:Alex Catalan
Schnitt:Ángel Hernández Zoido
Musik:Alberto Iglesias
Webseite:; ;
Weblinks:;
Länge:103 Minuten
Kinostart:29.12.2011
Verleih:Piffl
Produktion: Morena Films, Vaca Films; Mandarin Cinema; Alebrije Cine y Video;
FSK:12

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Ein filmisches Epos über Kolonialismus, eine Parallele der Geschichte vor 500 Jahren und heute. Beide Ebenen werden miteinander verknüpft. Christoph Kolumbus als Vertreter einer damaligen Weltmacht und ein weltweit agierender Multikonzern. Gold und Wasser als exemplarische Fälle um Ausbeutung und Macht. Was im Großen geschehen ist und immer wieder geschieht, zeigt sich hier auch im Detail. Ein Filmteam will in Bolivien einen Film über den historischen Einbruch der spanischen Kultur mit seinen verheerenden Auswirkungen auf die indigene Bevölkerung erstellen. Ein vorbereitendes Statisten-Casting in einem Dorf führt beinahe zur Revolte, denn alle wollen dabei sein und nicht nur ein paar Ausgewählte. Damit wird eine von mehreren Konfliktebenen etabliert, die den ganzen Film bestimmen werden. Der kühl rechnende verantwortliche Produzent Costa (Luis Tosar) und der idealistisch besessene Regisseur Sebastían (Gael García Bernal) stehen als Repräsentanten der Ausbeutung der Einheimischen. Gedreht werden soll die brutale Unterjochung der südamerikanischen Ureinwohner unter dem Siegel des Christentums. Ein riesiges Kreuz schwebt per Hubschrauber über der Szene des Castings. Ein Kreuz, das das Unglück bringen wird.

Die Not der Einwohner in Dörfern und Städten verschärft sich, denn der Staat hat die Wasserrechte an einen großen internationalen Konzern verkauft. Der Kampf um frei zugängliches Wasser eskaliert zu einem Aufstand der Bevölkerung, der blutig zerschlagen wird. Betroffen davon ist das Filmteam. Ein einheimischer Hauptdarsteller wird verhaftet, seine Tochter schwer verletzt. Ihre Schicksale und die schwierigen Antworten auf Fragen der Menschlichkeit begleiten den gesamten Film.

Die einzelnen Erzählstränge werden überaus geschickt montiert. Die Gespräche um die Weiterführung der Dreharbeiten gegen alle Widerstände, durch den Produzenten selbst gemachte scheinbar ökonomische Zwänge einerseits und durch die Starrheit des bis zur Verzweiflung gegen alle Widerstände kämpfenden Regisseurs andererseits. Proben der Schauspieler gehen fließend über in die Inszenierung der brutalen Befehle von Kolumbus bei den Filmaufnahmen des Spielfilms selbst. Alle Gespräche und Ereignisse werden von einer Assistentin mit einer Schwarz-Weiß-Videokamera dokumentiert. Mediale Vermittlung ist ein wichtiger Baustein im Film, den wir sehen. Ein Screening von gelungenen Szenen, ein Radiobericht über die Rebellion in der Stadt, die verlogene Fernsehberichterstattung über den Aufstand von angeblich wenigen Terroristen gegen die Wasserwegnahme, der Film im Film zu seiner Entstehung bei den Dreharbeiten.
Das Chaos des Widerstands hat irgendwann seinen Höhepunkt erreicht, nichts geht mehr und der Film muss abgebrochen werden. Jetzt kommt die menschliche Seite des Produzenten zum Vorschein. Er wandelt sich vom Saulus zum Paulus, um die verletzte Tochter seines Hauptdarstellers und Anführers des Aufstands zu retten. Auf diese Weise erlangt der Film zu einem geschönten, fast märchenhaften Ende der Versöhnung zwischen einem Indio und dem eher hart gesottenen Produzenten.

Der Film ist in vieler Hinsicht hervorragend konstruiert in seinem Wechsel der Ebenen, die wie selbstverständlich ineinander übergehen, ohne den Eindruck einer sprunghaften Beliebigkeit zu vermitteln. Die Musik ist äußerst zurückhaltend und sparsam eingesetzt und nie überzogen. Der Zuschauer wird auch bei den dramatischsten Momenten des Films nie bewusstlos in einen Sog der emotionalen Identifikation hineingezogen, es kommt durch den Wechsel der Ebenen immer zu einer Distanz wahrenden Haltung des Betrachters zum Ablauf der Ereignisse. Der Film nimmt auf diese Weise den politisch ungeschulten Zuschauer mit, verweist auf die Konflikte in unserer am Kapital orientierten Welt, und zeigt beispielhaft, ohne den didaktischen Zeigefinger zu bemühen, dass sich die Geschichte der Ausbeutung und Erniedrigung immer noch und überall wiederholt.

Eine mit seinen Schauspielern hervorragend besetzter Politkrimi um das Scheitern eines Filmprojekts aufgrund von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, eine exzellente Regie von Icíar Bollain, die ihre Männerfiguren liebevoll durchzeichnet und die verschiedenen Ebenen im Film überzeugend miteinander – auch vom Rhythmus her – miteinander verknüpfen kann und eine Kamera, die zunächst fast wie ein Kammerspiel eng am Filmteam bleibt, aber in der Zuspitzung der Ereignisse den Blick weitet und damit indirekt auf die Dimension des Grundkonflikts der politischen Verhältnisse und seine Auswirkungen verweist.