Über die Schwelle
FBW-Pressetext
„Sozialist wird man nur einmal – und bleibt es immer“, sagt der 90-jährige Walter Ruge, der als Kommunist Deutschland 1933 verlassen musste, schließlich sogar in einem sibirischen Straflager landete und erst 1958 nach Ostdeutschland zurückkehren konnte, ein überzeugter DDR-Bürger war. Intensiv und emotional ist die Reise, auf die der Porträt-Film seine Zuschauer nimmt. So entfaltet sich ein politisch-privater Blick auf ein ganzes Jahrhundert.Filminfos
Gattung: | Dokumentarfilm |
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Regie: | Stefan Mehlhorn |
Drehbuch: | Stefan Mehlhorn |
Weblinks: | filmfriend.de; |
Länge: | 64 Minuten |
Produktion: | Filmakademie Baden-Württemberg GmbH, Stefan Mehlhorn; Lars Drawert; Linda Krämer; Max Milhahn; |
Jury-Begründung
Der Dokumentarfilm nähert sich mit erfrischender Leichtigkeit und bemerkenswerter Tiefe einem schwergewichtigen Teil der deutsch-sowjetischen Geschichte. Dies ist vor allem der spannenden Biografie des Protagonisten Walter Ruge geschuldet, der als Kommunist 1933 Deutschland verlassen musste. Als sowjetischer Staatsbürger wurde er unschuldig zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt. Die Entrechtung in den sibirischen Lagern konnte seinen Glauben an eine gerechte Welt nicht brechen.Das Filmteam und der 90-jährige Mann unternehmen eine emotionale Reise zu den Orten seiner Vergangenheit. Mit symbolkräftigen Bildern und Details - wie etwa der Bedeutung eines Stücks Brot – werden dem Zuschauer die menschenunwürdigen Lebensumstände stärker vergegenwärtigt als mit der Darstellung von Gräueltaten. Poetische Landschaftsaufnahmen und der sensible Einsatz der Musik schaffen über 62 Minuten ein gelungenes filmisches Gesamtwerk und ein Porträt eines erzählenswerten Menschenschicksals.
Der Beginn des Films mit der 1. Mai-Kundgebung unterstützt nicht nur die humorvollen Momente, sondern funktioniert auch hervorragend als Exposition. Sie führt nicht auf die Fährte politischer Betonköpfigkeit, sondern auf den Beginn einer wertvollen, lebenslangen Liebe. Die Erzählkraft des Mannes, die sensible Kameraführung und die gekonnte Montage mit Archivaufnahmen lassen den Zuschauer mit Hochachtung und Spannung an einem außergewöhnlichen Menschenleben teilhaben.
Nach 25 Jahren Exil kehrt Ruge mit seiner Frau Irina 1958 nach Ostdeutschland zurück. Neben seiner Arbeit bei den DEFA-Filmstudios gründete er, mit über 60 Jahren, einen Radsportverein.
Hauptgegenstand des Films ist die Auseinandersetzung des Protagonisten mit der Zeit des Stalinismus. Die Reflexion auf die DDR-Vergangenheit beschränkt sich im Wesentlichen auf eine Äußerung zu deren Ende. Das ist schade, tut jedoch der Wirkung des Films keinen Abbruch.
Das geschickte Einbetten des Porträts Walter Ruges in dessen Lebensbericht vor Schülern eines Gymnasiums macht auch der nachfolgenden Generation deutlich, wie notwendig Mut, Kraft und Lebenswillen sind, um unter widrigen Umständen die eigenen Ideale nicht zu verraten. Die Jugendlichen des Gymnasiums wie auch die Zuschauer dieses Films erleben, welchen Wert Zivilcourage gerade auch heute hat.