Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
Die wahren Gangster von New York sitzen in der Wall Street. Von seiner Form erinnert THE WOLF OF WALL STREET an GOOD FELLAS. Auch hier ist die Grundlage ein autobiografischer Text, der vom Aufstieg und Fall eines amoralischen Protagonisten erzählt. Auch hier wird aus der Innenperspektive eines verschworenen Männerbundes erzählt, der nicht umsonst mit Robin Hood und seinen lustigen Kumpanen verglichen wird. Auch hier werden Exzesse von Lust, Sucht und Gier mit einer kalten Virtuosität zelebriert. Doch diesmal ist der manische Antiheld ein Börsenmakler, und auch wenn diese Geschichte von Brokern, die Anleger mit wertlosen Aktionen um ihr Geld bringen, in den noch weitgehend analogen 80er und 90er Jahren spielt, sieht das Publikum ihn mit dem Wissen um die verheerenden Auswirkungen von verbrecherischen Börsengeschäften in den letzten Jahren. Scorsese hat erkannt, dass die Groteske eine angemessene Form ist, mit der man sich auf ein solch absurdes System wie der Finanzmarkt einen Reim machen kann. Und so ist THE WOLF OF WALL STREET zugleich mit einem boshaft überdrehten Humor und eisiger Distanz erzählt. Die Filmfiguren sind Karikaturen, unter denen es nicht einen auch nur halbwegs sympathischen Menschen gibt. Und Scorsese zeigt sie in dekadenten Panoramen, wie jenen wilden Feiern in den Büroräumen, bei denen mit kleinwüchsigen Menschen auf Zielscheiben geworden wird, eine Frau sich für 10000 Dollar kahl scheren lässt oder eine Blaskapelle halbnackt durch die Tischreihen marschiert. Ein Drogenrausch wird in hypnotisch wirkender Zeitlupe inszeniert, und Reichtum mit einer obszön wirkenden Arroganz ausgestellt. Aber es gibt auch kleine, grandios geschriebene und gespielte Szenen wie jene, die damit endet, dass sich Matthew McCounaughey und Leonardo DiCaprio bei einem gemeinsamen Lunch motivierende auf die Brust trommeln. DiCaprio kann inzwischen so perfekt Scorseses Visionen verkörpern wie es früher Robert DeNiro vermochte. Es gibt Momente, in denen er in der Rolle des Jordan Belfort buchstäblich zur Fratze wird. Er spielt ihn mit einer furchtlosen Intensität, zugleich voller Charisma und erbärmlich. Man ist von diesem Wolf zugleich abgestoßen und fasziniert.