Split
FBW-Pressetext
In dem Moment, in dem Casey zur Seite schaut, weiß sie, dass etwas Schlimmes geschehen ist. Denn neben ihr, auf dem Fahrersitz, sitzt nicht der Vater ihrer Mitschülerin Claire, der sie beide und Claires Freundin Marsha nach Hause fahren wollte, sondern ein Unbekannter. Kurze Zeit später finden sich die drei Mädchen in einem Bunker wieder. Sie wissen nicht, was der Fremde von ihnen will. Doch sie bekommen das Gefühl, dass sich hinter der Fassade des Mannes mehr verbirgt. 23 mal mehr, um genau zu sein, denn in einem Moment entpuppt sich der Entführer mit gespaltener Persönlichkeit als strenger Sauberkeitsfanatiker, dann wiederum als beherrschte Dame, und immer wieder auch als kleiner Junge namens Hedwig. Während Claire und Marsha verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit suchen, gelingt es Casey, das Vertrauen von Hedwig zu gewinnen. Dieser erzählt ihr sogar ein Geheimnis. Es gibt eine 24. Identität, die kurz vor ihrem Ausbruch steht. Und die alle nur „die Bestie“ nennen. In seinem neuen Psychothriller stellt M. Night Shyamalan wieder unter Beweis, dass er die besten Zutaten miteinander verbinden kann, um den Zuschauer mit Spannung, Nervenkitzel und überraschenden Plot-Twists zu unterhalten und zu fesseln. Geführt wird der Zuschauer von Casey, einer introvertierten jungen Frau, die sich als Außenseiterin der Gruppe erweist und doch im Laufe der Geschichte, auch dank eines geschickt in Rückblenden aufgefächerten Kindheitstraumas, zu einer starken Heldin wird, mit der der Zuschauer bis zum Showdown mitfiebert. Newcomerin Anya Taylor-Joy spielt Casey eindrücklich, unschuldig und doch gebrochen. James McAvoy als Entführer mit gespaltener Persönlichkeit liefert als „Gegenspieler“ eine beeindruckende schauspielerische Tour-de-Force. Nur die kleinste Verschiebung einer Geste, seiner Haltung oder Mimik, ein veränderter Blick, erwirken innerhalb nur einer einzigen Einstellung die Darstellung verschiedener Persönlichkeiten, die Wandlung von kindlich reiner Seele hin zum von Dämonen besessenen Monster. Durch die empathische Nebenfigur einer Psychiaterin blickt Shyamalan auch auf kluge und reflektierte Weise auf ein Krankheitsbild, über das immer noch vieles im Verborgenen liegt. Die exzellente Kamera von Mike Gioulakis führt den Zuschauer an die Geschichte heran, die genaue Bildkomposition lässt genug Zeit, um der clever gebauten Geschichte zu folgen und lässt den Betrachter doch auch immer wieder atemlos vor Spannung in den kalten Korridoren und dem verlassenen Heizungsraum umherirren. Die bassbetonte und mit vielen Geräuscheffekten durchzogene Soundkulisse tut ihr Übriges, um den Puls des Betrachters zu erhöhen. SPLIT ist grandios gespielt, intelligent geschrieben und sorgfältig inszeniert. Meisterhaftes Genrekino, das bis zum allerletzten Bild überrascht.Filminfos
Gattung: | Thriller; Spielfilm; Horror |
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Regie: | M. Night Shyamalan |
Darsteller: | James McAvoy; Kim Director; Haley Lu Richardson; Anya Taylor-Joy |
Drehbuch: | M. Night Shyamalan |
Kamera: | Mike Gioulakis |
Schnitt: | Luke Franco Ciarrocchi |
Musik: | West Dylan Thordson |
Webseite: | ; |
Länge: | 118 Minuten |
Kinostart: | 26.01.2017 |
Verleih: | Universal |
Produktion: | Blinding Edge Pictures, Blumhouse Productions; |
FSK: | 16 |
Jury-Begründung
17 Jahre nach THE SIXTH SENSE gelingt M. Night Shyamalan ein neues grandioses Meisterwerk. SPLIT nimmt die Hauptmotive seiner bisherigen Filme und verdichtet sie zu einer fesselnden und zeitweise an den Nerven zehrenden Story. Das Spiel mit dem Übersinnlichen in seinen Filmen tritt dabei etwas zurück, thematisch stößt der Regisseur in eine neue Dimension vor. Sein Name muss nun endgültig in einer Reihe mit den Namen von Wes Craven oder David Cronenberg genannt werden, den großen Erneuerern des Genres im amerikanischen Independent-Kino. Wie seine Vorbilder inszeniert er dabei auch eine hochaktuelle gesellschaftliche Parabel. SPLIT hält einer liberalen, narzisstischen Gesellschaft den Spiegel vor, die überfordert ist, den Wolf im Menschen zu bändigen.Der spannende Psychothriller bedient alle Erwartungen der Fans des Genres. Er vereint den subtilen Suspense eines Hitchcocks virtuos mit Konventionen des Horrorfilms, um psychische und blutige Gewalt auszustellen. Jede Szene ist künstlerisch bis aufs i-Tüpfelchen durchdacht und sorgfältig inszeniert. Getragen wird der Film von der Neuentdeckung Anya Taylor-Joy als entführtes Mädchen, die ihrem Peiniger die Stirn bietet, und von James McAvoy, der eben jenen Peiniger grandios spielt. Mühelos schlüpft er innerhalb einer Szene in verschiedene Identitäten eines Menschen und zeigt unterschiedliche Gemütslagen. „Sein“ Crumb hält drei entführte Teenagerinnen in einem Keller gefangen. Nur die von Anya Taylor-Joy gespielte Casey kann ihre Angst und Panik in Widerstand umwandeln, weil sie ebenso wie Crumb in der Kindheit ein schweres Trauma erlitten hat. Er leidet seitdem unter einer dissoziativen Identitätsstörung. Die Patienten haben abwechselnde, unterschiedliche Vorstellungen von sich selbst. Die verschiedenen Persönlichkeiten übernehmen wechselweise die Kontrolle über das Verhalten. Crumb wechselt zwischen 23 Identitäten. Alle leiden unter der Angst vor Kevin, seiner 24. Identität.
Seine Therapeutin nimmt die beunruhigenden Zeichen wahr, dass das labile Gleichgewicht Crumbs ins Wanken geraten ist. Doch ihr Ehrgeiz, die Krankheit wissenschaftlich zu beschreiben, und ihr Glaube an Heilung aller Leiden, Inklusion und den Sieg moralischer Werte in einer demokratischen Gesellschaft lassen sie alle Warnzeichen ausblenden. So trägt sie zusätzlich zur Katastrophe bei.
Es ist dem Zuschauer überlassen, den Film als brillanten Psychothriller zu genießen. Auf der zweiten Ebene bietet Shyamalan allerdings zusätzlich verschiedene Deutungsmöglichkeiten und Denkanstöße an – zum Beispiel zur Resilienzdiskussion, der Wiedereingliederung von traumatisierten Menschen in die Gesellschaft und das Leben mit psychisch Erkrankten. Der Film legt auf der Metaebene auch den Finger in die Wunden einer demokratischen Gesellschaft, die von physischer und psychischer Gewalt bedroht wird und um Antworten ringt. Diese können nicht so simpel sein, wie manch Politiker das propagiert. Das konsequente Ende seines Films macht das deutlich.