Helge Schneider ist komisch. Helge Schneider ist Künstler. Helge Schneider ist Musiker. Doch trotz dieser Zuordnungen ist Helge Schneider nicht leicht zu erklären. In Interviews albert er herum, in seinen Auftritten improvisiert er, variiert von diffizilen Jazz-Arrangements hin zu „Katzeklo“-Performances und in seinen Filmen erschafft er Alter Egos, die er dann gerne auch in der Öffentlichkeit anwendet. Die Filmemacherin Andrea Roggon hat es sich zur Aufgabe gemacht, ein Porträt von Helge Schneider zu zeichnen. Und der Titel verrät es: Dieser schwierigen Aufgabe stellt sie sich, indem sie ihn einfach begleitet. Auf seinen Tourneen, zuhause und bei Dreharbeiten. Dabei entsteht der Eindruck, dass der Film nicht etwa den Porträtierten in eine Form presst, sondern ihm in dynamischem Fluss in seiner Denke folgt. Immer wieder werden Teile eines lange vorbereiteten Interviews dazwischengeschnitten, bei denen man merkt, dass auch für Schneider diese Situation Neuland ist. Denn er selbst, das betont er immer wieder, sieht sich als Clown, der die Leute unterhält, seine eigenen Befindlichkeiten aber versteckt. Es ist ein großes Verdienst des Films, dass dennoch immer wieder ein anderer Helge Schneider durchblitzt, der ehrgeizige und fleißige Arbeiter, der sich neuen Herausforderungen stellt, wenn er beispielsweise mit anderen Musikern wie der begnadeten Beatbox-Künstlerin Butterscotch an neuen Musiknummern feilt. Aber auch ein fast schüchterner Mensch, der sich mit Improvisationen aus seiner Unsicherheit befreit. Die Belohnung ist das Lachen des Publikums. Auch das fängt die Kamera in wunderschönen Momenten ein, wenn die Gesichter zu sehen sind, in denen sich Begeisterung und die pure Lust am Vergnügen spiegeln. Dann steht Helge Schneider auf der Bühne. Er singt Lieder, spielt ein Instrument oder improvisiert munter drauf los. Dabei ist er immer er selbst. Oder eben eine Version seiner selbst. MÜLHEIM-TEXAS ist ein gelungenes und höchst unterhaltsames Künstlerporträt, das sich den vielen Facetten des Helge Schneider nähert, ohne komplett zu entmystifizieren. Und so bleibt Helge Schneider ein Komiker, ein Künstler, ein Musiker. Und auch immer noch ein Geheimnis.
Helge Schneider fällt scheinbar nie aus der Rolle. In der Öffentlichkeit ist er immer mit seiner Kunstfigur identisch. Er ist in jedem Moment ein Clown, improvisiert und ist höchstens in seiner Unvorhersehbarkeit vorhersehbar. Von ihm ein Porträt zu machen ist ein ständiger Zweikampf, denn natürlich will und braucht der permanente Performer die permanente Kontrolle über seine Performance. So versucht Andrea Roggon mit ihrer Kamera Momente einzufangen, in denen Schneider sich nicht selber inszeniert. Schneider wiederrum versucht, jede Annäherung von ihr zu einem Auftritt zu machen. Da ist es schon ein kleiner Sieg, wenn nur mal gezeigt wird, wie Helge Schneider seine Hunde füttert. Oder wie er mit seinen Begleitmusikern probt oder beim ersten Treffen mit einer amerikanischen Musikerin so intensiv mit ihr improvisiert, dass er sich für ein paar Takte nur auf die Musik konzentriert. In der typischen Interviewsituation frontal auf dem Stuhl vor der Kamera hat er dann wieder die Kontrolle. Schneider selber bringt diesen Widerspruch gut und witzig auf den Punkt, wenn er davon spricht, dass man auch mal „Van Gogh beim Einkaufen“ sehen will. Aber so wie dessen Bilder letztlich mehr über den Künstler aussagen als solche Schnappschüsse, zeigt sich Schneiders Wesen dann doch eher in seinen Auftritten Es gibt Sequenzen in MÜLHEIM-TEXAS, die wie Videoclips seiner Lieder konzipiert, gespielt und geschnitten wurden. Andrea Roggon ist lange mit ihm nach „hier und dort“ gereist, hat ihn bei Dreharbeiten zu seinem Spielfilm in seiner Heimatstadt Mülheim begleitet, die in einigen Straßenpanoramen auch in ihrer allumfassenden Tristesse gezeigt werden. Eine Zeitlang scheint die Montage so frei assoziativ zu sein wie Schneiders Improvisationen, aber dann wird doch eine gut durchdachte Dramaturgie deutlich, durch die Roggon Schneider schließlich zu fassen kriegt. So findet sie pointierte Beispiele für die verschiedenen Stufen seiner Karriere, in dem sie zuerst einen Ausschnitt aus dem Film JOHNNY FLASH von Werner Nekes zeigt, durch den Schneider zum ersten Mal einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde, dann eine Sequenz aus dessen eigenen Spielfilm TEXAS – DOC SNYDER HÄLT DIE WELT IN ATEM und schließlich einige Sequenzen von den Dreharbeiten für Beiträge zu Alexander Kluges TV-Magazin. Im Off verrät Schneider dann doch erstaunlich ernsthaft autobiografische Einzelheiten, und wenn er etwa über seine prägenden Konzerterfahrungen redet, tut er dies so selbstvergessen, dass man im ersten Moment seine Stimme gar nicht wiedererkennt. Einer der Höhepunkt des Films ist eine ganz einfache, aber extrem effektive Montage von lachenden Menschen im Publikum eines Auftritts von Helge Schneider. Und direkt danach liefert Roggon den größten Lacher des Films mit einer langen ungeschnittenen Einstellung von Schneiders brillanter Parodie auf spanische Flamencomusiker. So hat Roggon also Schneider beim Hundefüttern erwischt und ihm Raum für mehr als nur einen großen Auftritt gegeben. Und so ist sie sowohl Helge Schneider wie auch seiner Kunst mehr als gerecht geworden.