Jury-Begründung
Prädikat besonders wertvoll
In welchem Maße können wir mit unseren zwangsläufig subjektiven Sichtweisen überhaupt die Wirklichkeit erkennen? Diese existentielle Frage stellt Jannick Seeber in seinem Kurzfilm MEINUNGSVRESCHIEDENHEITEN und er hat eine zugleich originelle und frappierend einfache Form gefunden, um sie zu verdeutlichen: Drei Menschen schildern eine Situation, die sie gemeinsam durchlebt haben. Sie blieben in einem Fahrstuhl stecken und was in diesen Minuten passiert ist, schildert jeder von ihnen anders. Die drei Darsteller werden bei ihren Befragungen während einer Verhandlung gefilmt, und zwar in genau gleich kadrierten Einstellungen. Ihre Aussagen werden dann so fragmentiert und montiert, dass sie bei jedem Detail der Geschichte gegenseitig ergänzen oder widersprechen. Zum Teil werden Sätze von einem Protagonisten begonnen und von einem anderen beendet. Das ist mit einem präzisen Timing inszeniert und die Darsteller spielen in diesem im wahrsten Sinne des Wortes engen Rahmen natürlich und wirken dadurch authentisch. Der Effekt ist amüsant, optisch reizvoll und durch ihn entsteht ein beachtlicher erzählerischer Sog. Der Film endet mit einer schön gesetzten, sehr witzigen Pointe. So ist er zugleich unterhaltsam und hat eine philosophische Tiefe, die angenehm unprätentiös vermittelt wird.