Lou Andreas-Salomé

Kinostart: 30.06.16
VÖ-Datum: 28.02.17
2016
Filmplakat: Lou Andreas-Salomé

FBW-Pressetext

1933, Bücherverbrennung in Göttingen. Der Germanist Ernst Pfeiffer macht sich auf den Weg, um einer Frau seine Aufwartung zu machen, deren Wesen und Werk er schon seit langem verehrt: Lou Andreas-Salomé. Zurückgezogen lebt die nun 72-Jährige in ihrem Haus, zusammen mit Mariechen, die ihr im Haushalt zur Hand geht. Besucher weist sie generell ab, Beziehungen pflegt sie keine mehr. Bei Pfeiffer jedoch macht sie eine Ausnahme – und beginnt, von ihrem Leben zu erzählen. Dieses beginnt in Russland, mit einer glücklichen Kindheit, die jäh endet, als ihr Vater stirbt. Lou Andreas-Salomé berichtet von ihren Träumen als Jugendliche, ihren Plänen, als eigenständige emanzipierte Frau die Welt zu erobern. Und sie berichtet von den berühmten Männern, die allesamt der Faszination ihrer starken Persönlichkeit erlagen. Und von denen doch keiner sie wirklich halten konnte. Denn sie will niemandem gehören. Das Spielfilmdebüt von Cordula Kablitz-Post erzählt die faszinierende und beeindruckende Lebensgeschichte der Schriftstellerin Lou Andreas-Salomé, die zudem als Vordenkerin der Psychoanalyse und Vorbild für die Frauenbewegung gilt. Noch heute gibt es unzählige Spekulationen, Interpretationen und Vermutungen über all die Beziehungen, die Andreas-Salomé zu berühmten Männern wie Friedrich Nietzsche, Rainer-Maria Rilke oder Sigmund Freud unterhielt. Auch Kablitz-Post stellt diese Beziehungsgeflechte in das Zentrum ihres Erzählens. Und doch macht sie eindrücklich klar, dass es sich hier nicht um eine Frau handelt, die von diesen Männern definiert wurde, sondern genau das Gegenteil ist der Fall. Lou Andreas-Salomé war es, die eine entscheidende Schaffensphase der jeweiligen Männer definierte und bestimmte. Um die ganze Lebensspanne von Andreas-Salomé abbilden zu können, verkörpern gleich mehrere Darstellerinnen die gemeinsame Rolle. Ob Liv-Lisa Fries, Katharina Lorenz oder Nicole Heesters – sie alle versehen Lou Andreas-Salomé und ihrer Vielschichtigkeit gekonnt mit ganz eigenen prägnanten Wesenszügen. Da ist die Aufgeschlossenheit und Neugier des jungen Mädchens, die Entschlossenheit und der Stolz einer erwachsenen gebildeten und selbstbewussten Frau und die Weisheit und scharfzüngige Beobachtungsgabe des Alters. All dies arbeitet der Film in wunderschönen Bildern großartig heraus und findet mit der Einarbeitung historischer Postkartenmotive einen ganz besonderen inszenatorischen Kniff, um den Zuschauer in die Zeit Andreas-Salomés zu versetzen. Auch der Rest des großartig besetzten Ensembles, wie etwa Alexander Scheer, Julius Feldmeier oder Katharina Schüttler überzeugen. Durch den Film von Kablitz-Post wird klar, welch große Bedeutung Lou Andreas-Salomé hatte. Nicht nur als große Denkerin und Wissenschaftlerin. Sondern auch als starkes emanzipiertes und unabhängiges Rollenvorbild für Frauen. Und so lässt der Film sie gegen Ende in die Kamera blicken und mit dem starken Satz enden: „Die Welt, sie wird Dich schlecht begaben, glaube mirs, sofern Du willst ein Leben haben, raube Dirs!“. Ein beeindruckender Film über eine starke Frau.

Filminfos

Gattung:Drama; Spielfilm
Regie:Cordula Kablitz-Post
Darsteller:Katharina Lorenz; Nicole Heesters; Liv Lisa Fries; Merab Ninidze; Katharina Schüttler; Alexander Scheer; Matthias Lier; Julius Feldmeier; Philipp Hauß; Petra Morzé; Peter Simonischek; Daniel Sträßer; Harald Schrott
Drehbuch:Susanne Hertel; Cordula Kablitz-Post
Kamera:Matthias Schellenberg
Schnitt:Beatrice Babin
Musik:Judit Varga
Länge:113 Minuten
Kinostart:30.06.2016
VÖ-Datum:28.02.2017
Verleih:Wild Bunch Germany
Produktion: avanti media Film- und Fernsehproduktion , Tempest Film Produktion und Verleih; KGP - Kranzelbinder Gabriele Production;
FSK:6
Förderer:MFG Baden-Württemberg; MBB; Nordmedia

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

Die FBW-Jury hat dem Film das Prädikat besonders wertvoll verliehen.

Die russisch-deutsche Schriftstellerin, Philosophin und Psychoanalytikerin Lou Andreas-Salomé war eine außergewöhnliche Persönlichkeit: freiheitsliebend, klug, furchtlos und voller Forschungsdrang. Cordula Kablitz-Post hat in ihrem Spielfilm stilistische Mittel gefunden, um der Komplexität der Figur und ihrer historischen Bedeutung gerecht zu werden. In der Rahmenhandlung wird sie uns als eine 70jährige Intellektuelle vorgestellt, die im Deutschland der 30er Jahre nach den Bücherverbrennungen damit rechnen muss, von den Nationalsozialisten diskriminiert und verfolgt zu werden. So begegnet sie dem jungen Germanisten Ernst Pfeiffer zuerst mit Misstrauen, als dieser sie darum bittet, ihn wegen seiner Schreibblockade zu therapieren. Die Behandlung besteht dann darin, dass sie ihm im Laufe vieler Besuche ihre Lebensgeschichte diktiert. Nicole Heesters spielt sie in diesen Sequenzen mit einer souveränen Gelassenheit. Man glaubt ihr die analytische Intelligenz und geistige Unabhängigkeit, die die Titelheldin auszeichnete - und diese nicht zu unterschätzende Leistung gelingt auch den drei anderen Schauspielerinnen, die Lou Andreas-Salomé in den Rückblenden verkörpern. In diesen werden Schlüsselszenen aus ihrem Leben gezeigt: ein früher Akt der Rebellion während eines Gottesdienstes, Auseinandersetzungen mit der Mutter und eine sehr komische Sequenz während eines gesellschaftlichen Empfangs, bei dem sie statt des dort üblichen Geplauders aus dem Stehgreif eine kleine philosophische Ausführung hält, durch die sie einen der Herren mit ihrer schieren Brillianz zu verführen scheint. Diese Wirkung hat sie auch auf den jungen Rainer Maria Rilke und Friedrich Nietzsche gehabt, und auch wenn sich Cordula Kaplitz-Post viel Zeit dafür nimmt, von ihren Beziehungen zu diesen bekannten historischen Persönlichkeiten zu erzählen, kann nicht davon die Rede sein, sie würde über diese definiert werden. Stattdessen scheint sie es zu sein, die die Persönlichkeiten der noch jungen Männer formt, indem sie etwa René Maria Rilke dazu ermunterte, ein besserer Poet zu werden und ihn dazu brachte, seinen Namen zu ändern. Kaplitz-Post gelingt es Rilke, Nietzsche und später auch Sigmund Freud in wenigen, prägnanten Auftritten lebendig werden zu lassen, wobei sie sich derer bekannten Manierismen bedient, ohne sie zu übertreiben und so Karikaturen zu zeichnen. Und sie reden alle in geschickt gebauten und formulierten Dialogen, in denen jeweils ihre Sicht auf die Welt und ihr Talent offenbart werden, ohne dass dies je konstruiert wirkt. Ausstattung, Kostüme und Maskenbild wirken zwar authentisch, aber Kablitz-Post arbeitet auch mit kleinen stilistischen Widerhaken, mit denen sie darauf hinweist, dass sie hier die Vergangenheit spielerisch inszeniert: An manchen Schnittstellen, bei denen zwischen Zeiten und Orten gewechselt wird, nutzt sie für kurze animierte Einstellungen Motive aus alten Postkarten, in denen sie ihre Protagonistin herumspazieren lässt. Sie lässt sich nicht auf festgefügten, starren Bildern fassen – das ist raffiniert, originell und optisch reizvoll. Cordula Kaplitz-Post ist ein intelligenter, auf allen Ebenen künstlerisch überzeugender und bei all dem auch noch erstaunlich unterhaltsamer Film gelungen.