Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen

Kinostart: 25.03.10
2009
Filmplakat: Im Haus meines Vaters sind viele Wohnungen

FBW-Pressetext

Die Grabeskirche Jesu in Jerusalem ist der Schauplatz eines ebenso faszinierenden wie ethnografisch höchst brisanten Abkommens zwischen verschiedenen christlichen Konfessionen, wie den Kopten, Franziskanern und Griechisch-Orthodoxen. In ruhigen und eindringlichen Bildern verdeutlicht der Dokumentarfilm, dass das Zusammenkommen an dieser wichtigen religiösen Stätte doch mehr ein konfliktreiches Nebeneinander als ein friedvolles Miteinander ist. Mit großer Akribie, visueller Dichte und einer Kameraführung von höchster Qualität werden die Strukturen des so fremden Mikrokosmos eingefangen, die traditionellen Rituale aus nächster Nähe beobachtet und auch die Reaktionen der Touristen gespiegelt. So entsteht eine ganz eigenwillige Spannung und es werden höchst interessante, soziologische Fragen aufgeworfen. Ein außergewöhnliches Dokument!

Filminfos

Gattung:Dokumentarfilm
Regie:Hajo Schomerus
Drehbuch:Hajo Schomerus
Länge:93 Minuten
Kinostart:25.03.2010
Verleih:X Verleih
Produktion: Busse & Halberschmidt Filmproduktion GbR, T&C Film
FSK:0
Förderer:FFA; BKM; Filmstiftung NRW; KJDF

Jury-Begründung

Prädikat besonders wertvoll

„Protagonist" des Films ist die Grabeskirche in Jerusalem, erbaut über dem Grabe Jesu. Sie gilt als größtes Heiligtum der Christenheit. Hier leben sechs christliche Konfessionen nebeneinander: griechisch-orthodoxe, syrische, armenische und äthiopische Christen, ägyptische Kopten und Franziskanermönche.

Der Film beginnt mit einer wunderbar verfremdeten Sequenz: Eine israelische Soldatin interpretiert bei der Besichtigung ihren Gefährtinnen diese besondere Gemeinschaft und den Mythos der Grabeskirche. Dann nähert sich die Kamera behutsam einzelnen Vertretern der verschiedenen Konfessionen, erkundet ihre Befindlichkeiten und ihr jeweiliges „Revier".

Der Zuschauer sieht und hört: Alle sechs Konfessionen wachen penibel über die ihnen zugeteilten Anteile, pochen eifersüchtig auf ihre Rechte und Privilegien. Wir werden Zeuge von diversen Glaubensritualen, die einem komplizierten Zeitplan unterworfen sind. Muslimische Türwächter verwahren den Schlüssel zur Eingangstür der Kirche, schließen sie morgens auf und abends zu. Der Film erscheint als Gleichnis für menschliches Zusammenleben überhaupt, über das Praktizieren und die Fragilität von Toleranz, über die Langlebigkeit von Traditionen und Regeln. Die Grabeskirche als menschlicher Kosmos en miniature. Auch als Spiegel der Zerrissenheit der Menschheit, ihrer mystischen Sehnsüchte. Stätte der Meditationen und der Massensuggestion. Ein steter Wechsel von Profanem und Spirituellem.

Hajo Schomerus zeigt sich besonders herausgefordert und bewegt von der Teilung der Kirche, eine Tatsache, die tragisch und gleichzeitig absurd ist. Hier offenbart sich eine Tragödie. Die Obsession des Autors von seinem „Erkundungsobjekt" teilt sich in mannigfachen fein beobachteten Details dem Zuschauer mit. Eine Erkundungsreise immer auch als „emotionale Achterbahn", nie ohne Respekt, aber stets mit Neugier und Entdeckungslust. Hajo Schomerus kehrt mit seinem ersten langen Dokumentarfilm (Regie und Kamera!) gewissermaßen zum Urmodell des dokumentaren Films zurück, einem „cinema direct“ mit der Einheit des Ortes, der Zeit und der Handlung.

Ein Film wie ein ruhig fließender Strom. Ein Film, der das Sehen lehrt und es zur Passion stilisiert.